Engels-Statue: „Das ist weder Kunst noch ein Denkmal“

Der international renommierte Galerist Rolf Hengesbach hat viele Einwände gegen die vier Meter hohe Figur aus China.

Foto: Stefan Fries

Wuppertal. Sie ist nicht zu übersehen: Fast vier Meter hoch ragt die kürzlich enthüllte Engels-Statue im Park zwischen Opernhaus und Historischem Zentrum empor. Immer wieder gehen Leute hin, schauen nach oben, manche schütteln den Kopf. Wir sprechen mit dem Galeristen Rolf Hengesbach über den künstlerischen Wert des Geschenks der Volksrepublik China.

Herr Hengesbach, haben Sie etwas gegen Friedrich Engels?

Rolf Hengesbach: (lacht) Nein, das ist jemand, der in unserer Stadt geboren ist, viel herumgekommen ist und sich im 19. Jahrhundert so intensiv mit sozialen Umwälzungen und Bewegungen beschäftigt hat — was soll ich gegen ihn haben?

Haben Sie denn etwas gegen die Engels-Statue von Zeng Chenggang?

Hengesbach: Einiges. Das fängt mit den Fahnen an, die vor dem Engelshaus aufgehängt sind: Wenn Sie die Jugendbilder auf den Fahnen mit der Statue vergleichen, müssen Sie den Eindruck haben, Sie hätten es mit zwei verschiedenen Personen zu tun. Die Statue versucht, die Person geschichtlich extrem weit von uns wegzuschieben.

Wie macht sie das?

Hengesbach: Die Statue guckt uns nicht an, der Mantel wirkt altmodisch. Die Figur ist sehr schmal, sehr hoch, sehr steif — sie wirkt wie ein Legomännchen, das man ein bisschen abgerundet hat. Es gibt keinen Funken von körperlicher Bewegung in der Statue — das ist doch verrückt bei jemandem wie Friedrich Engels, der sich mit der Dynamik sozialer Veränderungen beschäftigt hat. Welch ein Kontrast zu den Windungen in Alfred Hrdlickas „Die starke Linke“! Die chinesische Statue sieht aus wie von einer Person, die schon 600 oder 700 Jahre tot ist, aber nicht von jemandem, dessen Arbeit bis in die Gegenwart ausstrahlt.

Es gibt aber Leute, die ganz erfreut sagen: Guck mal, so hat der Engels also ausgesehen.

Hengesbach: Das funktioniert nur, wenn man zu der Person einen Bezug bekäme. Aber diese Figur ist nicht lebendig, das Gesicht ist starr und nach vorn gerichtet, die Seiten eckig. Diese Statue schafft keine Hinwendung. Nur um zu wissen, wie jemand vielleicht ausgesehen hat, ist das zu wenig.

Mal grundsätzlich: Ist die Statue denn überhaupt Kunst?

Hengesbach: Das würde ich verneinen. Ich sehe kein Kunstobjekt, weil ich keinen künstlerischen Ansatz erkennen kann.

Was kann es dann sein?

Hengesbach: Man kann fragen, ob es ein Denkmal ist. Aber ein Denkmal entsteht aus einer Situation oder politischen Diskussion heraus und mit dem Auftrag, relevante Inhalte in eine Form zu fassen. Ich sehe aber keine Botschaft, die uns die Chinesen mitgeben könnten. Und wenn es sie gäbe, wüsste ich nicht, was sie mit unseren gegenwärtigen Bedürfnissen zu tun haben könnte.

Es gab im Vorfeld auch politische Einwände gegen das Geschenk der Volksrepublik China.

Hengesbach: Das ist die dritte Variante: Man kann die Statue als Geschenk auffassen. Ja gut, das bekommt man - aber muss man es auch annehmen? Von einem autoritären Staat, der seinen einzigen international bedeutenden Künstler — Ai Wei Wei — unter Hausarrest stellt?

Die Stadtspitze hofft augenscheinlich auf einen wirtschaftlichen Nutzen.

Hengesbach: Sicher kann man sagen: Lass die Chinesen mal was bei uns aufstellen, es gibt vielleicht andere, die dann kommen und Fotos machen. Aber ob man das dann so öffentlich hinstellen muss? Man hätte die Aktion auch als temporäres Geschenk anlegen und auf zwei oder drei Jahre begrenzen können. Aber das Ding ist aus Bronze, das hält 100 Jahre.