Erblindetes Frühchen: Wurde das Rezept nachträglich korrigiert?
Anklage wegen fahrlässiger Körperverletzung und wegen Urkundenfälschungwird vorbereitet.
Wuppertal. Für die Kriminaltechniker der Wuppertaler Polizei war es eine klare Sache: Das Rezept, dessen Angaben dazu führten, dass einem Solinger Frühchen bei einer Routineuntersuchung in der Neugeborenen-Intensivstation in der St. Anna-Klinik mit einer 1000-fach zu hohen Dosierung die Augen verätzt wurden, ist nachträglich gefälscht worden. „Was aber auch heißt, dass das ursprüngliche Rezept von der Augenärztin richtig ausgestellt worden ist“, sagt Oberstaatsanwalt Wolf Baumert. Die Wuppertaler Staatsanwaltschaft bestätigte am Dienstag auf Anfrage, dass die Ermittlungen im Falle des fast blinden Babys nahezu abgeschlossen sind.
Doch die Anklagepunkte haben sich verstärkt: So wird nicht nur wegen fahrlässiger Körperverletzung ermittelt, sondern auch wegen Urkundenfälschung und damit auf das Ablenken des Verdachts auf eine andere Person. Den Ermittlern zeigt sich mittlerweile eine ganze Reihe fahrlässigen Verhaltens. Baumert: „Die Augenärztin hat ein Rezept richtig ausgestellt, das aber als Telefax an die zuständige Stelle weitergereicht.“ Üblich wäre der elektronische Weg via E-Mail. Auf dem Rezept stand laut Staatsanwaltschaft Milliliter, gemischt wurde nach Litern Auf dem Telefax war noch die Angabe „ml“ für Milliliter zu lesen.
In den Akten soll die Kripo eine Kopie des Telefaxes gefunden haben. Darauf sei eindeutig das „m“ für Milliliter unkenntlich gemacht worden. Ein Oberarzt, der für die Weitergabe des Rezeptes an die Zentralapotheke zuständig war, soll das Rezept als E-Mail nach Köln weitergegeben haben. Bereits da soll nur noch ein „l“ für Liter zu lesen gewesen sein, das „m“ für Milliliter war laut Staatsanwaltschaft verschwunden.
In der Apotheke, die ebenso wie die das Frühchen behandelnde St. Anna-Klinik in Wuppertal zum Verbund der Cellitinnen-Krankenhäuser gehört, habe man ohne Nachfragen die falsche Menge gemischt, obwohl Fachleute durchaus die falsche Dosierung hätten erkennen können. Der dritte Fehler soll in Wuppertal passiert sein. Dort trafen die Augentropfen — jetzt mit Literangabe gekennzeichnet — ein. Die zuständige Ärztin muss die Tropfen nach Erkenntnissen der Ermittler verabreicht haben, ohne sich vorher von der Richtigkeit der Angaben auf dem Etikett überzeugt zu haben. Die Ermittlungen dauern an.