EU „Es gibt viele Regelungen, die Arbeitnehmern zugutekommen“
Der Wuppertaler DGB-Vorsitzende Guido Grüning zur Bedeutung der EU für Beschäftigte.
Die Europäische Union spielt häufiger in unserem Leben eine Rolle, als vielen bewusst ist. Das gilt auch für den Bereich der Arbeit. An welchen Stellen die EU Arbeitnehmern Vorteile bringt, erklärt Guido Grüning, SPD-Stadtverordneter und Vorsitzender des Wuppertaler Stadtverbands des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).
Schon bei der Veranstaltung zum 1. Mai auf dem Laurentiusplatz hat der Gewerkschafter auf den Stellenwert der EU in Bezug auf Arbeitnehmer hingewiesen: „Europa spielt mit bei Arbeitsschutz, Mutterschutz, Mindestlohn und Mitspracherechten.“
Im WZ-Gespräch greift Guido Grüning als Beispiel die Entsende-Richtlinie auf: Sie bedeute die Durchsetzung des Prinzips „gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“: „Das heißt, dass etwa der Lkw-Fahrer ab der Grenze deutschen Lohn erhält und nicht mehr den Haustarif der Entsendefirma.“ Das schütze Arbeitskräfte aus ärmeren Ländern davor, ausgenutzt zu werden, und die einheimischen Beschäftigten vor billigerer Konkurrenz. „Das ist ein gewerkschaftlicher Erfolg“, betont Grüning. Dafür hätten die Gewerkschaften viele Jahre in Brüssel demonstriert.
„Es gibt eine ganze Reihe von Regelungen, die auf europäischer Ebene verabschiedet wurden und Arbeitnehmern zugutekommen“, fasst er zusammen. Allerdings gebe es auch eine Hürde: Die Regelungen müssen ratifiziert und umgesetzt werden: „Das ist manchmal nicht leicht.“
Als Beispiel nennt er die Europäische Mindestlohn-Richtlinie, die im Herbst 2022 in Kraft getreten ist: „In der EU ist es nun grundsätzlich verbindlich, dass 60 Prozent des mittleren Einkommens das Mindeste ist, was man verdienen muss.“ Wenn man das zugrundelege, müsste der Mindestlohn in Deutschland bei 14 Euro liegen, derzeit liegt er bei 12,41 Euro. „Das ist ein Missstand“, kritisiert Grüning.
Die Mindestlohn-Richtlinie will außerdem dafür sorgen, dass möglichst viele Arbeitsverhältnisse durch Tarifverträge geregelt sind. Deshalb verpflichtet sie die Staaten dazu, aktiv zu werden, wenn weniger als 80 Prozent der Beschäftigten nach einem Tarifvertrag bezahlt werden. In Deutschland war 2022 für 51 Prozent der Beschäftigten das Arbeitsverhältnis durch einen Tarifvertrag geregelt. Diese Quote ist weit von 80 Prozent entfernt und sinkt seit Jahren. Um die 80 Prozent zu erreichen, „müsste ein nationaler Aktionsplan entwickelt werden“, erklärt Grüning. So sieht es die Richtlinie vor.
Forderungen zur Umsetzung
der Mindestlohn-Richtlinie
Die Gewerkschaften fordern dazu unter anderem, dass der Bund ein bereits angekündigtes Tariftreugesetz umsetzt. Dann dürften auch auf Bundesebene staatliche Aufträge nur an Unternehmen mit Tarifbindung vergeben werden – wie bereits in einigen Bundesländern. Grüning erinnert: „NRW hatte eine Tariftreuegesetz. Aber die schwarz-grüne Landesregierung hat das ausgehebelt.“ Zudem soll es erleichtert werden, Tarifverträge für eine Branche für allgemeinverbindlich zu erklären. Grüning verweist darauf, dass das etwa in der Pflege oder auf dem Bau bereits der Fall ist. Die Gewerkschaften wünschten sich das auch für den Einzelhandel.
Die am 21. Mai verabschiedete KI-Verordnung der EU sei ein sehr aktuelles Beispiel dafür, wie die EU Arbeitnehmer schützt. Denn Künstliche Intelligenz könnte dazu genutzt werden, Beschäftigte digital zu kontrollieren. „In der KI-Verordnung steht, dass Arbeitnehmer nicht überwacht werden dürfen“, so Grüning. „Die KI wird begrenzt, damit Mitarbeiter nicht zu gläsernen Mitarbeitern werden.“ Zudem enthalte sie Regeln zur Gesundheitsfürsorge, etwa wie lange Beschäftigte am Bildschirm sitzen dürfen. Die Verordnung greift 2026.
Die Richtlinie zur Plattform-Arbeit, die im März verabschiedet wurde, ist besonders wichtig für Beschäftigte. Sie regelt neue Arbeitsformen, bei denen Arbeitsaufträge allein über Internetplattformen vergeben werden, zum Beispiel Lieferdienste. Nun gibt es Kriterien, wann Beschäftigte als Selbstständige oder Arbeitnehmer gelten – und für sie auch Arbeitnehmerrechte wie eine Absicherung durch Sozialversicherungen gelten. Nach weiteren förmlichen Annahmeschritten haben die EU-Staaten zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.
Insgesamt ist Guido Grüning wichtig, dass die EU-Länder zusammenarbeiten, um im Wettbewerb mit Ländern wie China und den USA zu bestehen. „Es ist gut, wenn wir gemeinsame Regeln haben, damit kein Wettlauf unter den europäischen Ländern entsteht.“ Auch die Klimakrise könne Europa nur gemeinsam bewältigen. Er warnt vor der AfD, die nur ins EU-Parlament wolle, um nationalstaatliche Ideen durchzusetzen. Eine Politik gegen Zuwanderung hätte einen großen volkswirtschaftlichen Schaden, warnt er: „Wir werden in den nächsten Jahren sieben Millionen Arbeitnehmer verlieren, weil sie in Rente gehen. Allein vor diesem Hintergrund brauchen wir Zuwanderung.“