WZ-Serie „Schön, dass es sie noch gibt“ Ein Wuppertaler Zentrum rund ums Nähen

Elberfeld. · Der Traditionsladen „Nähszene“ in Elberfeld strebt eine räumliche Vergrößerung an – und zieht nach über 20 Jahren um.

Dirk Müller hat sein Geschäft an der Morianstraße im Jahr 2003 eröffnet.

Foto: Kevin Bertelt/Kevin Bertelt Photography

Bunte Stoffe mit ausgefallenen Mustern neben dem weichsten Kaschmir, das es auf dem Markt gibt. Auf der anderen Seite zahlreiche verschiedene Knöpfe, Rüschen und Spitzen. In der Mitte des Ladens und am Schaufenster entlang reihen sich diverse Nähmaschinen. Im Traditionsladen „Nähszene“ geht jedem, der gerne selber näht, das Herz auf. 2003 eröffnete Dirk Müller das Geschäft an der Morianstraße. Nun, mehr als 20 Jahre später, steht der Umzug bevor. Der Grund: zu wenig Platz für die vielen Stoffe, Nähmaschinen und das Angebot von Kursen.

„Wir wollen die Marktverantwortung für ganz Wuppertal übernehmen“, stellt Müller klar. „Wir hatten hier einen großen Nähmaschinen-Händler, der jedoch letztes Jahr aufgehört hat. Außerdem hat ein weiterer Stoffladen zugemacht. Deshalb wollen wir jetzt in ein sehr viel größeres Umfeld umziehen.“ Das neue Lokal soll nur wenige Fußminuten vom aktuellen, etablierten Standort entfernt sein. „Der Mietvertrag ist noch nicht unterschrieben, aber es sieht gut aus. Wenn alles klappt, ziehen wir Ende des Jahres um“, zeigt sich der Inhaber zuversichtlich. Knapp 700 Quadratmeter soll der neue Laden groß sein. Außerdem verfüge er über ein eigenes Parkhaus. „Aktuell haben wir nur 100 Quadratmeter Platz. Das wird sich dann ganz anders aufstellen. So groß ist allein unsere Nähmaschinenabteilung im Düsseldorfer Geschäft“, erzählt Müller. „Ich denke, dass wir dann für Nordrhein-Westfalen in Wuppertal ein Zentrum bilden können, für alle, die sich mit Nähen, Nähbedarf und Nähmaschinen befassen.“

Der Vater von Dirk Müller eröffnete 1980 ein Stoffgeschäft, ähnlich wie die „Nähszene“. Er selbst war für das damals bekannte Unternehmen „Hertie“ im Einkauf aktiv und arbeitete mit großen Kaufhäusern wie dem KaDeWe in Berlin, dem Alsterhaus in Hamburg und Oberpollinger in München zusammen. 1995 kaufte Müllers Vater ihm die „Nähszene“. Das Stoffgeschäft wurde am 2. Mai 1950 in Leverkusen von Gustav Kühler gegründet. „Wir haben in dem Jahr außerdem angefangen, selber Stoffe zu produzieren, denn das, was sich auf dem Markt entwickelt hat, hat uns nicht mehr gefallen. Wir haben entgegen der Bewegung im Internet die Qualität an erste Stelle gestellt“, so Müller.

Sogar Abiballkleider
werden bei ihm genäht

Da das Geschäft in Leverkusen so gut lief, expandierten sie und eröffneten nacheinander Läden in Wuppertal, Münster und Düsseldorf. Müller weiß: „Wir spielen mittlerweile schon mit den Großen mit.“ Dabei achte er gründlich darauf, welche Stoffe er in seinen Geschäften anbietet. „Unser Laden ist Fairtrade-zertifiziert. Wir achten bei allen Rohstoffen darauf, wo sie herkommen. Die meisten unserer Stoffe kommen aus Europa, vor allem aus Italien und Spanien.“

Den Großteil der Kundschaft machen Stammkunden aus. Sie schauen regelmäßig im Laden am Platz am Kolk vorbei und erkundigen sich nach den neuesten Stoffen. Doch auch jüngere Menschen finden ihren Weg zur „Nähszene“. „Wir haben viele Abiturientinnen, deren Abiball bevorsteht, und die dann bei uns in den Kursen ihr Kleid nähen. Wenn man sieht, mit welchem Stolz diese selbst genähten Kleider dann getragen werden, ist das wunderbar“, schwärmt Müller. Andere Kundinnen schauen vorbei, um sich Stoffe für ein Kleidungsstück für einen besonderen Anlass zu kaufen. „Man möchte sich etwas Individuelles machen, aber auch weg von der Sklavenarbeit, wo billigst produziert wird. Man bekommt das durch die Medien ja mit. Die Menschen arbeiten 14 bis 16 Stunden, schlafen vor den Maschinen. Sie werden nicht rausgelassen. Das ist moderne Sklaverei. Das kann man mit dem Selbernähen komplett umgehen“, plädiert der Modeliebhaber. Sein Lieblingsstoff ist „Loro Piana“, der laut ihm beste Kaschmir der Welt. Der Stoff ist sehr weich, warm und leicht. Gewonnen wird er von Ziegen aus der Mongolei. Die selbst hergestellten Stoffe machen keine zehn Prozent des Sortiments aus.

Die Entwicklung eines neuen Stoffdesigns dauert laut Müller von der Auswahl der Rohstoffe bis zum Design mit Grafikerinnen ungefähr vier Monate. „Ich sehe mir dafür natürlich an, was Yves Saint Laurent macht, was verschiedene andere Designer machen. An diese Designs lehne ich mich dann an, interpretiere sie aber neu“, erzählt Müller. Für ihn war es schon immer interessant und erstaunlich, was aus Stoffen entstehen kann. „Mich fasziniert es, wie gut das Endergebnis aussehen kann. Was man alles machen kann. Dieses Kreative und Schöpferische ist unglaublich befriedigend. Wenn man etwas näht und es dann endlich fertig in der Hand hat“, weiß Müller.

Rund um die Uhr werden Nähkurse im Laden angeboten. Dabei werden der Inhaber und seine Angestellten immer wieder überrascht, welch kreative Ergebnisse die Teilnehmer und Teilnehmerinnen erschaffen.