Telefonseelsorge 60 Jahre Hilfe für die Seele in Wuppertal

Wuppertal · Die Telefonseelsorge Wuppertal blickt auf eine bewegte Geschichte zurück – die Gesprächsinhalte änderten sich wenig.

Die Telefone wechselten, aber die Gespräche, die Leiterin Jula Heckel-Korsten und ihre Ehrenamtlichen täglich führen, haben sich wenig verändert.

Foto: Sabine Damaschke

Vor 60 Jahren nahm die Telefonseelsorge Wuppertal in einem Vereinshaus ihre Arbeit auf. Die Telefone wechselten, die Gespräche, die Leiterin Jula Heckel-Korsten und ihre Ehrenamtlichen täglich führen, veränderten sich wenig. Ein gebrauchter Tisch und Stuhl, ein altes Bett und ein Telefon mit günstiger Rufnummer: Gemütlich sah es in der ersten Dienststelle der Telefonseelsorge Wuppertal 1965 nicht aus. Dennoch waren direkt 63 ehrenamtliche Mitarbeitende bereit, rund um die Uhr im Evangelischen Vereinshaus an der Elberfelder Luisenstraße Seelsorge am Telefon anzubieten.

„Wir sahen unsere Arbeit als einen Auftrag Gottes an und führten die Gespräche mit den Anrufern mit viel gutem Willen und so viel Einfühlungsvermögen wie wir eben hatten“, berichtet eine ehrenamtliche Telefonseelsorgerin der ersten Stunde. Eine hauptamtliche Leitung gab es nicht, auch keine Ausbildung oder Supervision. Aber bibelfest sollten die ersten Ehrenamtlichen sein, die aus der Frauenhilfe, dem Männerwerk und Gemeinden kamen.

Im Vereinshaus an der Luisenstraße nahm die Telefonseelsorge ihre Arbeit auf.

Foto: Evangelischer Kirchenkreis Wuppertal/Archiv

Im November 1965 gestartet, konnte die Wuppertaler Telefonseelsorge bereits ein Jahr später 2178 Anrufe verzeichnen. Gesprochen wurde über Familienkrisen, Ärger mit dem Vermieter, die Angst vor Arztbesuchen, Trauer oder „auch darüber, dass jemand nicht mehr beten kann“, wie Ehrenamtliche in einer internen Broschüre über die Anfänge der Telefonseelsorge schreiben. 60 Jahre später hat die Wuppertaler Telefonseelsorge rund 12 000 Anrufe im Jahr und über 80 ehrenamtlich Mitarbeitende. Ihr rundes Jubiläum feiert die Telefonseelsorge am Freitag, 7. Februar, mit geladenen Gästen in einem Gottesdienst mit Empfang und Konzert.

In den letzten Jahren
kam die Mailseelsorge dazu

Längst sitzen die Ehrenamtlichen nicht mehr auf gebrauchten Möbeln, sondern rund um die Uhr an einem höhenverstellbaren Schreibtisch mit moderner Telefonanlage. „Nach wie vor geht es in der Telefonseelsorge um Beziehungskrisen, Trauer und Ängste, aber auch sehr viel mehr als früher um das Thema Einsamkeit“, beobachtet Leiterin Jula Heckel-Korsten. In der Mailseelsorge, die in den letzten Jahren dazugekommen ist, spielt ein Thema deutlich häufiger eine Rolle, das die Telefonseelsorge schon immer beschäftigt hat und 1953 zu ihrer Gründung führte: Suizidalität. „Bevor Sie sich das Leben nehmen, rufen Sie mich an“ lautete der Aufruf des anglikanischen Geistlichen Chad Varah in englischen Zeitungen, der dieses weltweit erfolgreiche Seelsorge-Modell begründete.

Auch die erste deutsche Telefonseelsorge, die 1956 in Berlin entstand, hatte vor allem das Ziel, einen 24-Stunden-Notdienst am Telefon einzurichten, um Suizide zu verhindern. In Wuppertal geht es in rund 12 Prozent der Anrufe um Suizidalität, wie Jula Heckel-Korsten berichtet. Ein Thema, auf das die Ehrenamtlichen gut vorbereitet werden. Denn Glaube und guter Wille alleine reichen heute nicht mehr aus, um mitarbeiten zu können. Seit den 1970er-Jahren wird erst geschult und dann telefoniert.

Alle Ehrenamtlichen absolvieren eine mindestens 120 Stunden umfassende Ausbildung und nehmen regelmäßig verpflichtend an Supervision und Fortbildungen teil. Mit der Professionalisierung der Telefonseelsorge ging auch die Einstellung von Hauptamtlichen einher. So wurde 1975 erstmals mit Pfarrer Eckhart Ludwig ein Theologe beauftragt, die Telefonseelsorge hauptamtlich zu begleiten. Fünf Jahre später entstand die erste Trägervereinbarung zwischen den evangelischen Kirchenkreisen Elberfeld und Barmen sowie dem Gesamtverband der katholischen Gemeinden. Bis dahin hatten die Katholiken unter dem Titel „Zeit für dich“ ihre eigene Telefonseelsorge angeboten.

Nun war auch die Wuppertaler Telefonseelsorge ökumenisch, was heute auf rund zwei Drittel der bundesweit 106 Telefonseelsorgestellen zutrifft. Sie wechselte im Laufe der Jahre die Örtlichkeiten und auch die Telefonnummer, unter der sie kostenpflichtig aus dem Ortsnetz erreichbar war. 1997 wurde schließlich mit der 0800/1110111 eine bundesweite, kostenfreie Telefonnummer eingeführt.

Ein weiterer Meilenstein in der Entwicklung der Telefonseelsorge, meint Jula Heckel-Korsten. Denn damit wurde auch die Einführung einheitlicher Standards nötig, zu der die fundierte Ausbildung ebenso wie die lückenlose Erreichbarkeit – 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr – gehört. „Es gibt keine andere seelsorgerlich oder therapeutisch arbeitende Hilfeeinrichtung in Deutschland, die das leistet“, betont sie.