Fanprojekt: „Gerade jetzt sind wir wichtig“

Wuppertal. Republikweite Diskussionen um Ausschreitungen von Fußballfans, WSV-Anhänger, die sich während der Auswärtsfahrt nach Trier grob daneben benehmen — ein schlechter Zeitpunkt, um den Geburtstag eines Fanprojekts zu feiern?

Wuppertals Sozialdezernent Stefan Kühn (SPD) sieht das anders: „Nicht trotz, sondern gerade wegen dieser Vorkommnisse ist es wichtig, dass es uns gibt“, sagte er am Mittwoch bei einer kleinen Feierstunde zum fünfjährigen Bestehen des Fanprojekts Wuppertal. „Das zeigt doch, wie wichtig unser Ansatz ist, positive Fankultur zu stärken“, so Kühn im „Fanhaus 1954“, wo sich Projektmitarbeiter, Vertreter der Gesa als Träger und Sponsoren des WSV getroffen hatten.

„Ich war selbst vor Ort und weiß, wie schwierig es ist, darauf einzuwirken, wenn einer vorangeht und viele andere folgen“, meinte Jens Rüttgers zu den Vorkommnissen vor dem Spiel, als WSV-Fans die völlig unzureichenden Verhältnisse vor dem Gäste-Block in Trier dazu genutzt hatten, um direkt „durchzustiefeln“ und dann von der Polizei zurückgetrieben wurden. Zu der späteren „Pinkelaffäre“ vor dem Kletterzentrum in Troisdorf könne er allerdings nichts sagen.

Seit Januar bekleidet der 22-Jährige studierte Sozialarbeiter eine von eineinhalb Stellen des Fanprojekts. Und obwohl die von DFB, Landschaftsverband und lokalen Trägern auch anderswo unterstützten Fanprojekte im Prinzip dazu da sind, Fankultur von allen Vereinen der Stadt zu stärken, ist in Wuppertal die Nähe zum WSV zentral. Einerseits gibt es sonst keine größere Fanszene, andererseits war das Projekt in Wuppertal 2006 auf Initiative von Svenja Webb vom Sportamt, dem ehemaligen szenekundigen Beamten Bernd Gläßel und Ex-WSVler Thomas Richter aus der Taufe gehoben worden.

Erste zentrale Aktion war damals die Herrichtung des Fanhauses — einer ehemaligen Gastwirtschaft an der Tiergartenstraße 246 — unter Mitwirkung der Gesa als Träger des Wuppertaler Fanprojekts und der Arge, die arbeitslose Jugendliche dabei einsetzte. Seit der Fertigstellung 2007 ist das Fanhaus 1954 (Gründungsjahr des WSV) zweimal die Woche sowie vor und nach Heimspielen Treffpunkt für Fans.

Das wird laut Jens Rüttgers je Öffnungstag von zehn bis zu 70 Fans genutzt, die zum Kickern, Darten, Fußballgucken oder auch Transparente- und Fahnenmalen vorbeikämen. Auch als Ansprechpartner bei privaten Problemen stehen die Sozialarbeiter bereit. Kürzlich sei es etwa gelungen, einer jungen Frau, die lange vergeblich gesucht hatte, eine Lehrstelle zu vermitteln. Beispiele der Stärkung positiver Fankultur seien auch die Mitveranstaltung des Abschiedsturniers für Ex-Keeper Christian Maly oder von Street-Soccer-Turnieren mit Schülern unter dem Motto: „Gegen Gewalt und Rassismus.“

Auf jeder Auswärtsfahrt des WSV sind Rüttgers und sein Kollege Nico Klinkert zudem dabei, um „Strömungen zu erkennen und positiv einzuwirken.“ Allerdings sind sie auf die Zusammenarbeit mit dem Fanbeauftragten angewiesen, den laut DFB der Verein stellen muss. „Es ist wichtig, dass hier alle Rädchen ineinandergreifen. Das Fanprojekt ist nur ein Mosaiksteinchen und kann in erster Linie präventiv wirken“, sagt Bernd Gläßel, der betont, dass insbesondere der Dialog mit der Polizei sehr gut sei.

Beim WSV war der Posten des Fanbeauftragten in den vergangenen Wochen nur interimsmäßig besetzt. „Meist war auf Auswärtsfahrten niemand vom Verein dabei“, moniert Sabine Thrien von der Gesa, die direkt Vorgesetzte der Fanprojekt-Mitarbeiter ist. Nun hat der Verein reagiert, seit dieser Woche ist wieder Christian Weiß, der das Amt zuvor schon einmal innehatte, wieder offizieller Fanbeauftragter.

Bei der Feier im Fanhaus waren kaum eine Handvoll Fans zugegen. Sie treffen sich dort immer donnerstags und freitags (18 bis 21 Uhr). Ist denn auszuschließen, dass man sich dort vielleicht zu aus Sicht des Fanprojekts weniger wünschenswerten Aktionen verabredet? Rüttgers: „So etwas habe ich hier noch nicht erlebt, wenn, dann würden wir einschreiten.“ Schließlich gehe es um positive Fankultur. Eine Stigmatisierung von Fangruppierungen, etwa der Ultras, helfe dabei aber nicht.