Fasten: Der versteckte Zucker und die Stasi
Wenn im Großraumbüro ein Papierchen raschelt, schauen die Kollegen auf. So wie Hunde, die gerade eine Blutwurst gewittert haben. Umgehend wird das Hustenbonbon vom Tischnachbarn beäugt. Dann die Frage: „Ist das mit Zucker?
“ Seit Aschermittwoch sind schließlich Süßigkeiten aus der Redaktion verbannt. Seitdem ist die Antwort eigentlich immer „Nein, aber...“.
40 Tage
ohne Zucker
Es hat sich inzwischen gezeigt, dass der Begriff „Süßes“ dehnbar ist und besser bei dem Aschermittwochs-Pakt genauer definiert worden wäre. Fruchtzucker ist erlaubt. Klar, der gesunde Apfel muss weiterhin legal sein, um das Immunsystem gegen die Erkältungswelle zu stärken.
Alles andere bedarf jedoch einer Erklärung, weswegen auch das Wort „Stasimethoden“ schon gefallen ist. Das Hustenbonbon muss der Redaktion erst verkauft werden. Da ist „nur“ Süßstoff drin. Und zwar Isomalt. Davon war schließlich keine Rede. Auch wenn die Recherche im Internet ergibt, dass es sich bei Isomalt um das Gemisch zweier Zuckeralkohole handelt. Zuckeralkohole — ein Wort, das eher nach Rosenmontag als Aschermittwoch klingt. Aber egal — der Präzededenzfall ist geschaffen. Hingegen auf der roten Liste steht der Glukosesirup, der im „bohnenhaltigen Fertiggetränk“ der Kollegin steckt, das schnell als „Kakao“ enttarnt wurde. Im Kern handelt es sich dabei eigentlich um Traubenzucker. Der zum Glück nicht in Trauben steckt, dafür aber aus Kartoffeln und Mais gewonnen wird. Beides ist natürlich uneingeschränkt erlaubt. Wobei bei einigem Dosenmais ausdrücklich Zucker zugesetzt ist. Das muss besprochen werden, sobald der erste Kollege im Zuckerentzug den Mais aus der Konserve löffelt.
Ein weiterer Grenzfall: Agavendicksaft, der gerade bei veganen Speisen als süßer Ersatz für Honig verwendet wird. Nach kurzer Diskussion wurde der Dicksaft freigegeben, der ja schließlich von einer harmlosen Pflanze stammt. Ein wenig skeptisch muss seitdem beäugt werden, wie alle möglichen „gesunden Riegel“ ohne Zucker verputzt werden — vom Mandel-Riegel bis zum rohen Vanille—Beeren-Riegel, der zur mehr als 60 Prozent aus Datteln besteht und ähnlich viele Kalorien hat wie eine Tafel Schokolade oder vier Portionen Zuckerwatte.
Direkt zu Beginn warnte mich eine Bekannte: „Vorsicht vor dem versteckten Zucker.“ Jetzt wissen wir, dass sie nicht die Marzipankugeln im Geheimfach meinte.