Forensik: Angst und Empörung
Anwohner üben massive Kritik an der geplanten Klinik und an der Ministerin.
Wuppertal. „Wir halten es für eine bodenlose Unverschämtheit, uns eine forensische Klinik vor die Nase zu setzen.“ Günter Prangel machte gestern Nachmittag aus seinem Ärger keinen Hehl — und damit war er nicht allein. Etwa 60 Anwohner waren in die Müngstener Straße auf Lichtscheid zum WZ-Mobil gekommen. Exakt dorthin, wo die Grüne Gesundheitsministerin Barbara Steffens eine forensische Klinik für 150 psychisch kranke Straftäter errichten möchte.
Die Emotionen schlugen hoch. Viele Mütter mit Kinderwagen waren erschienen. „Das ist ein Schlag ins Gesicht der Bürger“, formulierte Wolfgang Trappe, Vorsitzender des Bürgervereins Hochbarmen, seine Wut über die Entscheidung — und damit war er nicht allein. Er kündigt massiven Protest an. „Warum wird die JVA nicht erweitert?“
Es gab aber auch Nachbarn, die sich Gedanken um den vorhandenen Standort machen. „Uns liegt daran, dass die Bereitschaftspolizei bleibt. Die betreiben den einzigen Sportverein hier oben“, sagte Sabine Kocherscheidt, Mutter von drei Kindern.
Gefasst aber traurig stand Michaela Vassilikos am WZ-Mobil. Am Montag hatte die Mutter eines Kindes zusammen mit ihrem Mann den Kaufvertrag für ein kleines Haus in der Siedlung Buschland unterschrieben. Als die Nachricht über den Forensik-Bau kam, flossen die Tränen. Ein Rücktritt vom Kaufvertrag lehnte der Verkäufer ab.
Immer wieder beteuerten Eltern, dass sie wegziehen werden, wenn die Forensik kommt, auch wenn sie ihre Häuser nur mit hohem Verlust verkaufen könnten.
Und genauso oft äußerten die Anwohner ihre Hoffnung, dass es OB Peter Jung doch noch gelingen werde, einen alternativen Standort zu finden. „Für mich war das wie ein Schlag in die Magengrube“, sagte Anwohnerin Ingrid Müller über die Entscheidung der Ministerin und fügte an: „Ich hätte nie gedacht, dass die eine solche Einrichtung in einem Wohngebiet errichten.“
Für Beatrix Brechtken und Gert Spindler war die Nachricht über die geplante Ansiedlung ein Schock. „Da wird mit familienfreundlichem Wohnen geworben — und dann setzen sie uns so etwas hier rein.“
Groß war die Angst vor den Freigängern der Forensik. Tanja Beck lebt mit ihrer Familie seit zwei Jahren im Wohngebiet nahe des geplanten Standorts. „Die psychisch Kranken sind ja unberechenbar.“
„Der Jugendknast war schon ein Schock, aber das ist eine geschlossene Anstalt“, sagte die zweifache Mutter Silke Riggio. Ihre Töchter müssten dann an dem Forensik-Zaun vorbei und die Freigänger säßen mit im Schulbus. „Diese Leute halten sich dann bei uns auf, das macht mir Angst.“
„Die haben dann freie Sicht auf einen Schulweg, das kann doch nicht therapiefördernd sein“, sagte Kirsten Beiersmann, die fragte, warum die Stadt bisher keinen Alternativvorschlag gemacht habe. „Die Grundschule ist so nah dran. Ich habe ein Problem mit den Freigängern aus der Forensik“, sagte die zweifache Mutter Nicole Tödter. Auch sie hatte einen Alternativvorschlag — am meisten wurde gestern eine Ansiedlung an der JVA Ronsdorf favorisiert — für die Einrichtung: „Wenn wir in Lennep kein Outlet kriegen, wäre da Platz frei.“
Jenni Germunds Kinder spielen gern auf den Spielplätzen nahe des Kothener Buschs: „Man will den kranken Menschen ja auch nichts unterstellen. Aber ein Wald oder ein Park ist doch der ideale Ort dafür. Ich werde meine Kinder dort dann nicht mehr allein spielen lassen“, sagt sie.
Die Kinder und Jugendlichen im Viertel machen sich ebenfalls Gedanken. „Ich will nicht, dass die hier rumlaufen. Wenn ich noch in der Grundschule wäre, hätte ich richtig Angst“, sagte Carolin Tödter. Regina Maura sah nicht nur Gefahren für Minderjährige: „Nicht nur unsere Kinder sind betroffen, auch wir Frauen.“