Forschung in Theorie und Praxis: Was macht gutes Leben in Wuppertal aus?

Wissenschaftler haben sich in Initiativen für gesellschaftlichen Wandel eingesetzt und das gleichzeitig erforscht.

Foto: Andreas Fischer

Drei Jahre lang haben sich Wissenschaftler mit der Frage befasst, wie Veränderungen in Stadt und Gesellschaft zu mehr Nachhaltigkeit und einem „Guten Leben“ für alle gelingen können. Dabei haben sich die Forscher selbst in Initiativen wie „Aufbruch am Arrenberg“ und „Utopiastadt“ engagiert, deren Arbeit unterstützt und zugleich untersucht. Jetzt feierten sie und ihre engagierten Partner in der Citykirche den Abschluss des Projekts und stellten ihre Arbeit vor.

Beteiligt waren 30 Wissenschaftler des Wuppertal Instituts, der Universität und des Zentrums für Transformation und Nachhaltigkeit („Transzent“). Das Projekt mit dem Namen „Wohlstands-Transformation Wuppertal“ wurde mit rund einer Million Euro vom Bundesforschungsministerium gefördert.

Angesichts der globalen Herausforderungen müsse Wissenschaft eine zentrale Rolle bei der Transformation hin zur Nachhaltigkeit spielen, manchmal auch als treibende Kraft, sagte Uwe Schneidewind, Präsident des Wuppertal Instituts.

Diese Rolle haben die Wissenschaftler in Wuppertal im Rahmen des Projekts übernommen. Dabei erlebten sie auch Skepsis: „Ich dachte, sind wir jetzt Laborratten?“, berichtet Iris Panknin vom Verein „Aufbruch am Arrenberg“. Denn die Wissenschaftler nannten die von ihnen ausgewählten Forschungsobjekte „Real-Labore“.

Doch dann hätten sie gemerkt, dass der Blick der Wissenschaftler ihnen hilft: Bei Diskussionen über Ziele sei ihnen vieles klarer geworden: „Wir haben gemerkt, dass das, was wir machen, schon Transformation ist.“ Mehr Selbstbewusstsein hätten sie gewonnen. „Ohne die Wissenschaftler wären wir vielleicht zu ähnlichen Ergebnissen gekommen, aber wir hätten länger gebraucht. Wir haben uns professionalisiert.“ Dazu gehörte nicht zuletzt Hilfe dabei, Fördergeld für ihr Projekt zu beantragen.

Mit Stolz kann sie das bisher Erreichte im Bereich Ernährung aufzählen: den Restaurant Day, die erste gemeinsam bepflanzte Fläche im Stadtteil, die geplanten Hochbeete an der Wupper und hinter dem Café Simonz. Und noch etwas habe das Projekt gebracht: Kooperationen mit anderen Initiativen: Demnächst werde die Farmbox des Aufbruchs am Arrenberg bei der Utopiastadt am Mirker Bahnhof stehen.

Die Utopiastadt unterstützten die Wissenschaftler dabei, das Stadtteil-Diskussionstreffen Forum Mirke wieder zu aktivieren, einen Stadtentwicklungs-Salon einzurichten und eine Anlaufstelle für Studenten und andere Wissenschaftler einzurichten, die sich wissenschaftlich mit dem Projekt beschäftigen. Rund 30 Seminar- und Abschlussarbeiten sind seither über Utopiastadt entstanden.

In Oberbarmen / Wichlinghausen haben die Forscher sogar neues Bürgerengagement angestoßen. Gemeinsam mit der Quartierentwicklungsgesellschaft und dem Quartierbüro Vierzwozwo haben sie sich des Themas Leerstand angenommen. Die Idee: Lange leerstehende Wohnungen zum kleinen Preis vermieten an Menschen, die diese Wohnungen renovieren und sich im Stadtteil einbringen. „Haushüten“ heißt das Projekt, das sich nicht so leicht umsetzen ließ wie gedacht. Inzwischen hat sich eine Gruppe engagierter Menschen aus dem Stadtteil zusammengefunden, die das Projekt dank ihrer Kontakte voranbringt — der dritte Mietvertrag soll in Kürze geschlossen werden.

Was genau „Gutes Leben“ für Wuppertaler ist, das haben die Wissenschaftler Bürger gefragt — und mit ihnen Kriterien dafür erarbeitet. Vorbild war der „Better Life Index“ der Entwicklungsorganisation OECD. Die dort benutzten elf Kriterien wie etwa Gesundheit, Sicherheit, Wohnen oder Bildung reichten den Wuppertalern nicht — sie ergänzten sie unter anderem um das Thema Infrastruktur. Und bei der Freizeit war ihnen für ein „Gutes Leben“ auch ein entsprechendes Angebot wichtig, vor allem im Bereich Kultur.

Bei den Wissenschaftlern ist das Projekt nicht ohne Folgen geblieben: „Ich habe manchmal das Gefühl, dass ich mehr für Wuppertal werbe als die Wuppertaler selbst“, sagt Hans Haake amüsiert, der erst vor einiger Zeit zugezogen ist: „Man identifiziert sich inzwischen mit der Stadt.“