Kolumne Mehr (Frei-)Räume für Minderheiten in der Kultur
Wuppertal · Das „Zukunftslabor Kunst & Stadt“ zeigt als Kompass und Landkarte auf, wie viel Wert und Zukunft in den engagierten Kunstorten und -akteuren in Wuppertal pulsieren.
Vergangene Woche habe ich eine wunderbare Gegenüberstellung gesehen, die da (übersetzt) lautet: „Kunstmuseen: Dieser Raum ist einem speziellen Maler aus einem französischen Dorf und ausschließlich seinen Gemälden, die er mit diesem einen Pinsel gemalt hat, gewidmet. Und dieser Raum zeigt Kunst aus Asien.“ Was wie eine Übertreibung klingt, ist viel zu oft Realität. Auch 2020, wo bekannt sein sollte, dass nicht nur europäische Cis-Männer (Männer, die sich mit dem bei der Geburt zugeschriebenem Geschlecht identifizieren) die hohe Kunst des Pinselschwingens beherrschen, sind Geschlechterminderheiten (Cis- und Trans-Frauen, genderfluide und non-binary Personen) unterrepräsentiert und unterbezahlt. PoC (People of Color, die gegenüber der Mehrheitsgesellschaft als nicht-weiß gelten und wegen ethnischer Zuschreibungen alltäglichen und institutionellen Formen des Rassismus ausgesetzt sind) erst recht.
Wuppertal bildet da leider keine Ausnahme, hat aber das Potenzial, dies zu ändern. Seit einem Jahr gibt es hier zum Beispiel das YAYA-Netzwerk, das es sich mit Aufklärungsarbeit, Veranstaltungen und Workshops zur Aufgabe gemacht hat, den hiesigen Kunst- und Kulturraum nachhaltig zu verändern. Denn zum einen ist nicht erst seit Till Lindemanns poetischen Verwirrungen klar, dass Misogynie und Sexismus auch noch in der Kunst (wenn man das bei ihm mal so nennen will) weit verbreitet sind. Der sogenannte male gaze, also der (heterosexuelle) cis-männliche Blick auf die Welt und auf Frauen insbesondere, herrscht seit Jahrhunderten vor und bestimmt unser aller Wahrnehmung. Ebenso ist die Toleranz gegenüber rassistischem, sexistischem und diskriminierendem Verhalten weiterhin groß (besonders, wenn‘s doch Kunst ist).
Zum anderen muss man sich nur beliebige Ausstellungskataloge oder Line Ups anschauen, um eine enorme Diskrepanz zu sehen. Wer stellt aus? Wer tritt auf? Wer legt auf? Wer bekommt eine Bühne, einen Raum, eine Stimme? Wer kann teilhaben? Wer hilft wem? Cis-Männer organisieren und bedienen zuerst ihre eigenen Netzwerke. Sie sind Intendanten, Booker, Kuratoren. Auch in Wuppertal und im Bergischen Städtedreieck bestimmen sie die Kunst- und Kulturwelt. Privilegien werden dabei genauso wenig hinterfragt, wie Vorurteile. Das oft gehörte Argument, es gäbe zum Beispiel zu wenig weibliche Acts für ein Festival oder zu wenig Kamerafrauen für Aufzeichnungen, ist schlicht falsch. Man müsste nur mehr Initiative zeigen, aus der eigenen Komfortzone hinaus treten und die Position für Veränderung nutzen, indem zum Beispiel Stücke von schwarzen Autorinnen aufgeführt, unterrepräsentierten Künstlerinnen Ausstellungen ermöglicht und marginalisierte Musikerinnen engagiert werden. Dies geschieht jedoch nur bedingt.
Also müssen feministische Künstlerinnen selber aktiv werden und Handlungsspielräume schaffen. Durch eigene Ausstellungen, Partys, Theaterstücke, Festivals, Streams, Vernetzung. Es braucht nicht nur mehr „safe spaces“, also sichere Räume, in denen man vor Diskriminierung und Rechtfertigungszwang geschützt ist, sondern auch mehr Möglichkeiten, sich und seine Kunst zu zeigen. Sowohl, weil Künstlerinnen nun mal nicht von Luft, Liebe und Applaus leben (können), sondern mit ihrer Arbeit auch Geld verdienen wollen (und sollen). Und weil Repräsentation schlicht und ergreifend wichtig ist. In einer Welt, die dominiert wird von weißen Cis-Männern, ihren Ansichten und Entscheidungen, braucht es Vorbilder. Man muss wissen, dass es möglich ist. Und in dieser Stadt sollte es möglich sein. Die Kulturorte sind da, die Clubs existieren (noch), die Theater haben weiterhin die Bretter auf der Bühne. Wir müssen den (physischen) Raum nicht mehr erschaffen, sondern öffnen. Und zwar dauerhaft.