Buchvorstellung in Wuppertal Friedrich Engels – neu entdeckt

Das Buch „Arbeiten am Widerspruch“ dreht sich um einen Menschen, der sich mit den Veränderungen seiner Zeit wissenschaftlich und politisch auseinandersetzte.

Rainer Lucas, Hans-Dieter Westhoff und Reinhard Pfriem (v.l.) bei der Buchvorstellung.

Foto: Fischer, Andreas H503840

Friedrich Engels als Mann voller Widersprüche und vielseitiger Denker, der uns auch heute noch viel zu sagen hat – diese Perspektive nimmt das neue Buch „Arbeiten am Widerspruch – Friedrich Engels zum 200. Geburtstag“ ein. Herausgeber und Autoren stellten das Werk am Mittwochabend rund 80 Gästen in der Buchhandlung Klaus von Mackensen an der Laurentiusstraße vor. Die Veranstaltung im Rahmen des Engels-Jubiläumsjahres zeigte eindrucksvoll, wie anregend die Beschäftigung mit dem Mann sein kann, von dem fast alle in der Schule mal gehört haben, der aber sonst meist im Schatten von Karl Marx steht.

„Das Buch stellt den Versuch dar, Engels ins 21. Jahrhundert zu holen und nutzbar zu machen für die Lösung aktueller Probleme“, sagte Verleger Hubert Hoffmann vom Metropolis Verlag. „Wir waren mit dem Zustand der bisherigen Erinnerungskultur nicht zufrieden“, erklärte Mitherausgeber Rainer Lucas. Denn bisher sei Engels vor allem als Historiker, Linker oder als Wuppertaler rezipiert worden. „Unser Band versteht sich als kritische Aufarbeitung von Engels als politischer Mensch“, erläuterte Lucas. Dabei sollte Engels einerseits immer vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Verhältnisse des 19. Jahrhunderts beurteilt werden, bietet andererseits viele Anregungen für die Diskussion heutiger Politik, das wurde an diesem Abend deutlich.

War Engels ein moderner Mann? Diese Frage bejahte Mitherausgeber Hans-Dieter Westhoff klar: Engels habe sich zum Beispiel Gedanken zur Ehe und zum Umgang mit der Natur gemacht, die heute noch immer aktuell seien. „Engels hatte eine Ahnung davon, dass die Natur sich nach ihrer Inbesitznahme durch den Menschen rächen werde“, sagte Westhoff. Mitherausgeber Reinhard Pfriem hat zehn Argumente gefunden, warum sich die Auseinandersetzung mit Engels heute noch lohne. Darunter dessen Kritik der Verschleierung schlechter Taten mit guten Worten – „das sehen wir aktuell beim Terrorismus“ –, und die Kritik an militärischer Aufrüstung der Großmächte, die nicht dem Frieden diene. Zudem lehre Engels bei aller Kritik durchaus Optimismus: „Die Möglichkeit einer besseren Gesellschaft besteht.“

Vielfalt und Aktualität
der Themen

Die weiteren Autoren zeigten an diesem Abend die Vielfalt und Aktualität der Themen, mit denen Engels sich beschäftigte. „Es gibt eigentlich nichts, wozu er nicht publiziert hat“, sagte Kulturdezernent Matthias Nocke. Zum Beispiel die Kirchenkritik: „Engels gehört nach heutigem Selbstverständnis in die Bewegung der Freidenker“, sagte Henrike Lerche, Vorsitzende des Humanistischen Verbands Wuppertal. Dabei stammte er aus religiösen Verhältnissen, so Susanne Schunter-Kleemann. Engels sei ein Befürworter der Frauenbewegung gewesen, sagte Uta von Winterfeld. „Allerdings nahm er damit den Frauen ihre Selbstständigkeit gleichzeitig wieder“, kritisierte sie. Einen sehr kritischen Blick auf Engels hat auch Ulrich Klan: Engels sei mit seinem wissenschaftlichen Sozialismus ein Rechthaber gewesen, der die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Utopisten abgelehnt habe: „Er hat Utopisten plattgemacht und pflegte auch anderen Sozialisten gegenüber einen schlechten Umgang“, so Klan.

Ein zentrales Thema bei Engels sei die Widersprüchlichkeit der Natur, waren sich an diesem Abend mehrere Autoren einig. Während er sich als Kaufmann über den Profit freute, habe Engels auch die ökologischen Folgen im Blick gehabt, sagte Uta von Winterfeld. Man habe heute die Fähigkeiten, umweltfreundlicher zu produzieren, doch diese würden stattdessen teilweise in die Entwicklung von Software zur Fälschung von Abgaswerten gesteckt, kritisierte Eva Bockenheimer von der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Die Arbeit mit den Widersprüchen könne für die Zukunft sehr wertvoll sein, sagte Lars Hochmann: „Die Demokratie lebt vom Widerspruch“, so Hochmann. „Wir brauchen eine Arbeit am widerspruchsvollen Verstehen durch Arbeit am Widerspruch.“ In Zeiten von Klimakrise, Faschismus und Marktgläubigkeit sowie deren Leugnung brauche es mehr wissenschaftliches Denken. In diese Richtung dachte auch Mitherausgeber Rainer Lucas und formulierte damit quasi das Ziel der Buchvorstellung dieses Abends: Er erhoffe sich Impulse zum Weiterdenken für das Engels-Jahr.