Für die Wissenschaft in die Pedale treten
Auf dem Gelände neben dem Pressehaus führte die Bergische Uni ein Experiment durch.
Wuppertal. Immer links herum und dann schön die Spur halten. Wer erst mal gelernt hat, sicher im Fahrradsattel zu sitzen, hält die Übung für kinderleicht. Eng wird es, wenn man Kolonne fährt. So war es am Sonntag auf einem 100 Meter langen Parcours vor dem Pressehaus am Otto-Hausmann-Ring zu sehen. Die Übung diente wissenschaftlichen Zwecken.
Dass eine Fahrradkolonne in Wuppertal besonderen Seltenheitswert besitzt, weiß auch Felix Huber. Nachdem der Professor der Bergischen Universität kürzlich von NRW-Verkehrsminister Harry K. Voigtsberger in die „Zukunftskommission ÖPNV“ berufen wurde, liegt sein Augenmerk noch stärker auf der Entwicklung des Individualverkehrs. „In Städten wie Münster sind Fahrräder eben nicht so sehr die Ausnahme wie in Wuppertal.“
Hubers Kollege Armin Seyfried vom Forschungszentrum Jülich sieht die Chance, dass der Münsteraner Strom von Fahrrädern, E-Bikes und Pedelecs künftig auch andere Städte erfassen könnte. Seyfried und Huber riefen deshalb zu dem gestrigen Labor-Experiment unter freiem Himmel auf. Sinn war es, Grundlagen des Radverkehrs zu erforschen, um eines Tages diesen Verkehr optimieren zu können.
Etwa drei Dutzend begeisterte Radfahrer aus dem Bergischen Land waren erschienen, um unentgeltlich an dem dreistündigen Experiment teilzunehmen. Für Bernhard Ripken aus Solingen war es keineswegs Mühe, sondern ein netter Spaß. „Ich halte es für total wichtig, den Individualverkehr in andere Kanäle zu lenken. Inzwischen sieht man ja auch im Bergischen immer mehr Radfahrer.“ Langfristig gebe es keine vernünftige Alternative zum Rad.
Unter den „Lohas“, den Menschen, die Lebensstile für Gesundheit und Nachhaltigkeit pflegen, sieht Huber Wachstumspotenzial — auch für das derzeit noch fahrradarme Wuppertal.
Für diese Zukunft wurden während des gestrigen Experiments Filmaufnahmen gemacht, die Kamera stand im Pressehaus am Otto-Hausmann-Ring. Über die gesammelten Daten wird in den kommenden Monaten ermittelt, wann sich Verkehrsfluss einstellt, wie Staus entstehen, wie breit Fahrradwege sein müssen, um zukünftigen Entwicklungen gewachsen zu sein.
Als gegen Ende des Experiments die schrittweise erhöhte Zahl an Radlern das Maximum erreicht hatte, wurde aus der Vermutung Gewissheit: Auch auf Radwegen können Auffahrunfälle, riskante Bremsmanöver und enormer Stress entstehen.