Freies Netzwerk Kultur Gedanken am Rande der Wuppertaler Literatur Biennale

Wuppertal · Torsten Krug über das Wuppertaler Literaturfestival.

Torsten Krug.

Foto: Andreas Fischer

Wuppertal steht dieser Tage ganz im Zeichen der Literatur. In mittlerweile sieben Ausgaben hat sich die Wuppertaler Literatur Biennale zu einem veritablen Festival für zeitgenössische Literatur gemausert – mit Strahlkraft nach außen wie innen: Internationale Autorinnen und Autoren, renommierte wie aufstrebende, bereichern neun Tage lang unser Tal mit ihren Besuchen, Gedanken und Geschichten, diesmal unter dem Motto „Vom Verschwinden“. Regionale Autorinnen, Autoren und Initiativen sind an einem eigenen Tag sowie über den Festivalzeitraum verteilt in verschiedenen Formaten zu erleben.

Dass so ein Festival auch anders aussehen kann, kann man am Beispiel der „lit.Cologne“ beschreiben: Diese war – im Gegensatz zur Literatur Biennale – von Anfang an privatwirtschaftlich konzipiert und finanziert sich durch Eintrittskarten und vor allem durch Sponsoren. Erst 2020, angesichts der existenziellen Bedrohung durch die Pandemie, erhielt sie eine Förderung durch die Stadt Köln in Höhe von einer halben Million Euro. Mit über 100 000 Besucherinnen und Besuchern sowie über 200 Veranstaltungen gilt sie heute als Europas größtes Literaturfestival.

Vor drei Jahren wurde die Übernahme von 66 Prozent der Anteile an der lit.Cologne durch den Konzertveranstalter Deutsche Entertainment AG Classics aus Berlin bekannt. Es wurde als strategische Partnerschaft beschrieben; personell und konzeptionell sollte sich nichts ändern, was durchaus stimmen mag: Bis heute präsentiert das Festival ausschließlich alles, was – weit über die Literatur hinaus – Rang und Namen hat. Die regionale Kulturszene – Autorinnen, Schauspielerinnen, Moderatoren oder alternative Orte – kommt in ihm nicht vor. Im Gegenteil scheint das Mega-Event, das mit Ablegern wie „phil.Cologne“, „lit.Cologne Spezial“ und „lit.Ruhr“ weiter expandiert, einen Großteil an Aufmerksamkeit abzuschöpfen und der freien Szene eher im Wege zu stehen. So zumindest der Eindruck, den man – auch am Rande unseres im Vergleich dazu familiären Festivals – in Gesprächen mit Kulturschaffenden aus Köln oder anderen Regionen gewinnen kann.

Zum „Verschwinden“ kommt dabei eine ganze Menge: Unter ökonomischen Bedingungen schwindet das Interesse an (noch) unbekannten Stimmen, an Entdeckungen, programmatischen Ecken und Kanten, an auch mal kleineren Formaten. Vor zwei Jahren gab Kim de l´Horizon vor geschätzt 70 Menschen eine im wahrsten Sinne bezaubernde Lesung mit Gesang im K4-Theater. Noch im selben Jahr erhielt die nicht binäre Person sowohl den Deutschen als auch den Schweizerischen Buchpreis.

Ein Open Call für die regionale Literaturlandschaft, ein kuratierter Tag mit unterschiedlichsten Stimmen aus der lokalen Szene, die Präsentation der Literaturzeitschrift „Karussell“, ein Nachwuchspreis für junge Autorinnen und Autoren – das alles ist schwer vorstellbar unter profitorientierten Bedingungen und funktioniert nur mittels Kulturförderung auf lokaler, Landes- und Bundesebene. Das Zusammenspiel von Kulturbüro, Kulturorten in ganz Wuppertal, Autorinnen und Autoren, Mitstreiterinnen und Mitstreitern ist in diesem Sinne auch ein Festival unserer freien Kulturszene.

„Am schwärzesten Fluss der Welt lernt man erkennen, welche Menschen leuchten“, wird Else Lasker-Schüler oft zitiert (die Sätze stammen wohl nicht wirklich von ihr). Der Fluss gehört mittlerweile zu den saubersten unseres Landes. Gleichwohl empfinde ich Wuppertal – zumindest, was unser kleines, bedeutendes Literatur Festival angeht – als leuchtendes Beispiel.

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