Hartz IV: Am Glücksspielverbot scheiden sich die Geister
In den Annahmestellen ist die einstweilige Verfügung, keine Spielscheine an Hartz-IV- Empfänger zu verkaufen, ein Thema.
Wuppertal. 15.30 Uhr in Wichlinghausen: Astrid Freier steht hinter der Theke ihres Geschäfts an der Kreuzstraße. In den Regalen liegen Zeitungen, Schreibwaren und Glückwunschkarten aus. „Was darf es sein?“, fragt Freier einen Mann mittleren Alters. „Einen Lottoschein“, antwortet er. Die Einzelhändlerin kramt einen Schein hervor, auf dem ihr Kunde mit dem Kuli Kreuzchen setzt.
Angesprochen auf die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln gegen Westlotto in Münster (die WZ berichtete) reagiert Astrid Freier empört: Demnach dürfen keine Wettscheine sowie Rubbellose an Personen verkauft werden, wenn deren Einkommen in keinem Verhältnis zu ihren Spieleinsätzen steht. Das bedeutet: Hartz-IV-Empfängern und Geringverdienern würde auf diese Weise das Recht abgesprochen, selbst über die Verwendung ihres Geldes zu entscheiden.
Thomas Theismann, Junior-Chef des gleichnamigen Geschäfts.
Angenommen, das Glücksspielverbot gelte bald nicht nur für Sportwetten, sondern auch für Lotto-Scheine, fragt sich Enrico Esposito, Betreiber einer Lotto-Annahmestelle an der Gathe, wie er die Einkommensverhältnisse der Kunden überprüfen soll. „Unmöglich“, urteilt Esposito, „Jeder könnte mir, wenn er wollte, Lügen auftischen.“ Im Übrigen gehe ihn die Höhe des Einkommens oder der Rente seiner Kunden nichts an. „Nur weil manche Leute zeitweise auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, bleiben sie immer noch Menschen wie du und ich“, sagt Esposito: „Ich behandele jeden Kunden gleich — egal, ob Millionär oder Hartz-IV-Empfänger.“
Lukas Schönbrunn, Student (28), will nicht einsehen, warum ein Gericht Hartz-IV-Empfängern wie Geringverdienern die Chance auf Sechs Richtige im Lotto verwehren wolle. „Diese gerichtliche Verfügung allein ist schon eine Entmündigung und Diskriminierung einer Gruppe von ohnehin schon benachteiligten Menschen“, meint er.
Und auch Thomas Theismann, Junior-Chef des gleichnamigen Geschäfts an der Friedrich-Ebert-Straße im Luisenviertel, teilt diese Ansicht und verweist auf die im Grundgesetz verankerte Gleichheit aller Menschen. Demnach sollte, so Theismann, jeder Lotto spielen, wenn er diesen Wunsch hege. „Diese Diskussion ist ein großer Lacher. Das kann ich nicht ernst nehmen.“
Anders sieht das Erwin Mühlenhaus: „Ich halte den Gedanken, Menschen mit wenig Geld, Sicherheiten oder geringer Erfahrung im Umgang mit Geld vor Ausgaben für Glücksspiele zu bewahren, grundsätzlich für richtig.“ Immerhin, darauf weist der Rentner aus Ronsdorf hin, sei die staatliche Hilfe der Arbeitslosen Steuergeld und kein selbst verdientes Einkommen. „Wenn ein Mensch Hartz IV erhält, finde ich es nicht angemessen, wenn er das Geld beim Glücksspiel verzockt.“