Geburtshilfe Hilfe beim Start ins Familienleben
Familienhebammen unterstützen Mütter und Kinder in schwierigen Lebenslagen.
Junge Mütter, die kaum selbst der Kindheit entwachsen sind. Psychisch kranke Frauen, deren Schwangerschaft das labile Selbstbild zu zerstören droht. Geflüchtete Frauen, die von Missbrauch traumatisiert sind, und Mühe haben, sich in Deutschland zurechtzufinden. All diese Frauen benötigen in der anstrengenden ersten Zeit nach einer Geburt Unterstützung, die über die Hilfe einer Hebamme hinausgeht. Im Zusammenhang mit dem Konzept „Frühe Hilfen“ der Stadt kümmern sich deshalb Familienhebammen um diese Mütter.
„Wir machen Sozialarbeit rund ums Kinderkriegen“, erklärt die Freiberuflerin Jutta Reinicke-Brückelmann. Rund ein Dutzend Familienhebammen gibt es in Wuppertal; teilweise sind sie bei den Organisationen Pro familia, Donum vitae, bei der Caritas oder der Diakonie angestellt, teilweise arbeiten sie selbständig.
Sie alle sind erfahrene Hebammen und sie haben noch nebenberuflich eine psychosoziale Zusatzausbildung absolviert. Während „normale“ Hebammen nur in den ersten acht bis zwölf Wochen nach der Geburt bezahlt werden, dürfen Familienhebammen die Mütter bis zum ersten Geburtstag des Kindes, in Sonderfällen sogar noch länger besuchen.
„Der Bedarf ist sehr hoch in Wuppertal“, sagt Michaela Pfeiffer von Pro familia. Teilweise muss das Angebot über Spenden finanziert werden, weil die von den „Frühen Hilfen“ der Stadt gedeckten Stunden gar nicht ausreichen. Oft informiert das Jugendamt die Expertinnen, manchmal auch Hebammen oder die Geburtsklinik.
„Junge Mütter sehen den Bedarf häufig gar nicht“, berichtet Monika Nottebaum von Donum vitae. Immer wieder erlebe sie es, dass selbst grundlegende Dinge wie Babykleidung oder -nahrung nicht vorhanden sind. Dann gehe sie gemeinsam mit den Müttern einkaufen oder organisiere gebrauchte Kindersachen über entsprechende soziale Einrichtungen. Oder sie erkläre den jungen Müttern erst einmal, dass ein Säugling alle paar Stunden Nahrung benötigt und dass irgendwann auch der erste Brei gefüttert werden sollte.
„Wir haben es häufig mit psychisch erkrankten Frauen zu tun“, sagt Jutta Reinicke-Brückelmann. Für diese seien Schwangerschaft und Geburt eine große Herausforderung. Manche würden gar nicht merken, wenn sie schwanger seien, und sich mit dem Thema Baby nicht beschäftigen. Oder sie fühlen sich vom Kind abgelehnt.
Mit viel Geduld und einfühlsamen Gesprächen versuchen die Familienhebammen, eine Beziehung zwischen Mutter (oder Vater) und Kind aufzubauen. Denn es geht ihnen nicht darum, „von oben“ eine bestimmte Art der Erziehung zu empfehlen. Sondern sie wollen, dass die Frauen sich wohl fühlen in ihrer Rolle als Mutter und dass die Bedürfnisse des Säuglings erfüllt werden. Denn das erste Jahr sei entscheidend für die gesamte weitere Entwicklung des Kindes. „Manchmal ist man aber auch erstaunt, wie Frauen das trotz ihrer schwierigen Erlebnisse hinbekommen“, freut sich Monika Nottebaum.
Viele der Familienhebammen sind auch in Methode „Marte Meo“ ausgebildet: Dabei werden Situationen zwischen Mutter und Kind auf Video aufgenommen und Ausschnitte später zur Verdeutlichung gezeigt. So schnitt Monika Nottebaum etwa einen kleinen Moment aus, in dem ein Baby die Mutter anlächelte, und zeigte dies der Mutter, die Schwierigkeiten hatte, Kontakt zu ihrem Kind aufzunehmen: „So ein Video funktioniert häufig viel besser als lange Gespräche.“ Zumal bei Gesprächen in vielen Fällen die Sprachbarriere dazu kommt. Dann müssen die Familienhebammen Dolmetscherinnen mitnehmen zu ihren Terminen.
Am Beginn einer Zusammenarbeit hätten die Mütter oft Angst, dass das Jugendamt ihnen ihr Kind wegnehmen könnte. „Es dauert eine Weile, bis den Familien klar ist, dass wir keine Kontrollinstanz des Jugendamts sind“, erzählt Jutta Reinicke-Brückelmann.
Alle Familienhebammen sind sich einig, dass sie jede Situation und jede Mutter individuell und ohne Vorurteile betrachten und versuchen, genau die Hilfe zu leisten, die diese Mutter in diesem Moment benötigt. Außerdem hätten sie die Entwicklung des Kindes im Blick, geeignete Anregungen zum Spielen und ganz allgemein die Führung des Haushalts.
Dafür machen die drei Familienhebammen regelmäßig Überstunden. Ein bis zwei Stunden pro Woche verbringen sie in jeder ihrer oft 13 bis 14 Familien. Wenn sie diese zu Ärzten, Ämtern oder zu Gericht begleiten, dauert ein Termin noch länger. Anschließend muss jeder Fall ausführlich dokumentiert werden. Dazu kommen die Fahrten. „Mein Auto ist mein Büro“, sagt Jutta Reinicke-Brückelmann. Viele Mütter erleichtert es auch enorm, zu wissen, dass sie bei Problemen und Fragen jederzeit anrufen können.