Interview mit Detlef Schmitz und Reimar Kroll: „Die Stadtverwaltung ist überbesetzt“
Die Wählergemeinschaft für Wuppertal fordert, mehr Kosten zu sparen. Zudem müsse sich die Stadt besser vermarkten.
<strong>Herr Kroll, Herr Schmitz, ist Wuppertal auf einem absteigenden Ast?Kroll: Ich sage das ungern, gerade als geborener Wuppertaler. Ich sehe das allerdings so und es wäre falsch, davor die Augen zu verschließen. Das sehen wir auch durch neue Studien, die insbesondere im Bereich der Dynamik Wuppertal einen katastrophalen letzten Platz ausweisen. Woran liegt das?Kroll: Das liegt daran, dass Wuppertal dem Thema Wirtschaftsförderung, insbesondere im Dienstleistungsgewerbe, zu wenig Beachtung geschenkt hat. Die Wirtschaftsförderung ist also nicht richtig aufgestellt?Kroll: Das sehe ich so. Jetzt erst versucht man, mit Gewalt Gewerbegebiete zu erschließen, obwohl der Zug möglicherweise schon abgefahren ist. Präsentiert sich die Stadt nach außen so, wie sie es sollte?Kroll: Wir werden in Deutschland und in Europa zu wenig wahr genommen. Da ist nur die Schwebebahn und sonst nicht viel. Dafür gibt es doch die Marketing GmbH, oder?Schmitz: Schon, aber ich sehe das anders, eher regionaler. Die Wuppertaler Zukunftschance sehe ich nur in der Region. Wir können uns nur als Region präsentieren. Als Stadt mit Kirchturmspolitik sehe ich wenig Zukunft für Wuppertal. Während andere Städte längst ein eigenes Stadtbild entwickelt haben, hinken wir in vielen Dingen hinterher. Es findet hier seit einigen Jahrzehnten keine strukturierte Stadtentwicklung statt. Es gibt keinen Masterplan. Also ist der Umbau Döppersberg nicht der große Wurf?Schmitz: Nein, denn er ist seit zehn Jahren im Gespräch und wir bemängeln, dass die Kooperationspartner bis heute nicht auf der Bildfläche erschienen sind. Wir sehen keinen Kernmieter für den Döppersberg und wir sehen keinen privaten Investor für den Döppersberg. Der Busbahnhof dort ist der falsche Standort. Das sehen sie anders Herr Kroll?Kroll: Das sehe ich allerdings anders. Ich bin der Meinung, dass Wuppertal eine neue Mitte braucht - und die soll nicht am Döppersberg liegen. Sondern wo?Kroll: In der Innenstadt. In welcher Innenstadt?Kroll: Beispielsweise am Neumarkt in Elberfeld, dort wo ohnehin neu gebaut wird. Ich habe zudem die Befürchtung, dass sich die Bahn beim Bau des Döppersbergs nicht beteiligen wird. Der Reisende kommt im Slum an, läuft über einen sterilen und langweiligen Platz und muss dann wieder in den Slum der heutigen Poststraße und der Platte. Zudem fürchte ich, dass dies ein finanzielles Desaster wird.
"Die Reduzierung der Dezernentenstellen war ein Wahlversprechen." Reimar Kroll, Vorsitzender der WfW
Das wäre schlimm, die Stadt ist doch ohnehin pleite. Wie kann sie sich daraus befreien?Schmitz: Aus der Schuldenfalle herauszukommen ist schwierig. Kroll: Aus eigener Kraft geht das gar nicht. Wir haben eine strukturelle Schwäche. Die Gewerbesteuer steigt nicht. Wir brauchen eine Gemeindefinanzreform. Sollten die Stadtwerke komplett verkauft werden?Schmitz: Das bringt ja nichts. Wenn man Stadtvermögen verkauft, dann hat die Stadt ja keinen Cent mehr. Das hilft uns nicht aus der Schuldenfalle. Die Stadt zahlt jedes Jahr 70 Millionen Euro an freiwilligen Leistungen. Sollte sie das einstellen?Kroll: Nein Also doch das Tafelsilber verkaufen?Schmitz: Wir könnten das nur machen, wenn wir wie Düsseldorf kein strukturelles Defizit hätten. Kroll: Wenn wir Arbeitsplätze und Wohnplätze in der Stadt schaffen könnten. Das ist in Wuppertal derzeit leider nicht der Fall. Es muss aber einen Weg geben. Und jetzt fragen Sie uns nach dem Patentrezept und da sage ich, dass wir keines haben. Wir brauchen einen unabhängigen Berater. Das Kochen im eigenen Saft bringt uns nicht weiter. Also der Verwaltungsspitze trauen Sie keinesfalls zu, dass die einen Ausweg findet?Kroll: Bisher hat sie es nicht gezeigt. Schmitz: Durch die neue Art der Haushaltsführung wird mehr Transparenz auf der Kostenseite möglich. Ich glaube, das bringt was. Dann muss man die neu gefundenen Löcher im Haushalt aber auch konsequent stopfen, oder?Schmitz: Ja, das wäre ein konsequenter Weg. Den muss man gehen, das ist zwingend. Wofür sollte Wuppertal noch Geld ausgeben? Für ein kostenloses Schulmittagessen?Kroll: Das ist eine gute Sache, aber nur für die Kinder armer Eltern. Oder für mehr Dezernenten als bei der Kommunalwahl versprochen?Kroll: Die Reduzierung der Dezernentenstellen war ein Wahlversprechen des Oberbürgermeisters, das man einlösen sollte. Ein guter Dezernent kann der Stadt natürlich viel bringen. Dann sollte dieser aber nicht nur über den Parteienproporz angestellt werden, sondern durch eine offene Ausschreibung. Das darf nicht ausgekungelt werden, wie das in Wuppertal so oft der Fall ist. Eines der Krebsübel in der Stadt ist, dass zu oft hinter verschlossenen Türen gekungelt wird. Dieser Trend hat sich mit der großen Koalition noch verstärkt. Haben SPD und CDU denn nicht den Oberbürgermeister düpiert, als sie dessen Wahlversprechen kassierten?Schmitz: Ja, denn betrachtet man die Stadt als Konzern mit etwa 5000 Mitarbeitern, dann sind der OB und vier Fachdezernenten ausreichend. Die Busfahrer werden nicht mehr nach Tarif bezahlt, bei Dezernenten spart man nicht, ist das richtig?Schmitz: Es gibt ja kaum noch WSW-Busfahrer, die sind ja ausgelagert. Es ist nicht richtig, bei den Indianern zu sparen - aber nicht bei den Häuptlingen. Das geziemt sich so nicht. Kroll: Da muss man weiter gehen. Etwa bei der Verwaltung, die ist überbesetzt. Im welchem Maß?Kroll: Auf 80 Wuppertaler kommt ein Mitarbeiter der Verwaltung, das ist zu viel. Andere Städte haben viel weniger. Ich würde sagen, dass in Wuppertal 10 bis 20 Prozent überbesetzt sind. Da lassen sich Kosten sparen. Geld, das gebraucht wird?Kroll: Ja, denken sie nur an die Marketing GmbH, die hat nicht mal Geld für das Stadtfest 200 Jahre Barmen. Die Stadt braucht aber doch Marketing?Kroll: Ja, auf jeden Fall. Auch wenn sie kein Geld hat?Kroll: Dann müssen wir eben Sponsoren einwerben. Ist das nicht der Job der Marketing GmbH? Deren Argumentation ist ja, wir haben NRW-Tag, der braucht unsere ganze AufmerksamkeitKroll: Ich halte es für undenkbar, dass einem da nichts einfällt. Da muss man eben weiter nachdenken. Also muss die Marketing GmbH da noch mal in sich gehen?Schmitz: Aber ja. Kroll: Von mir aus auch der Oberbürgermeister persönlich, Hauptsache in Barmen wird gefeiert. Das kann ja wohl alles nicht wahr sein. Schmitz: Die Marketing GmbH ist absolut notwendig und schon besser aufgestellt als früher. Das bezweifelt ja niemand. Ist sie denn ausreichend gut aufgestellt?Schmitz: Bei weitem nicht. Ich schiele ja immer ein bisschen nach Düsseldorf, die das ja professionell betreiben - aber auch viel mehr Mittel haben. Vergleichen Sie da nicht Äpfel mit Birnen?Schmitz: Ja, natürlich, die Düsseldorfer haben aber auch mal klein angefangen. Zu einer Marketing GmbH gehört aber auch ein funktionierendes Management, das Stadtfeste koordiniert. Das geschieht derzeit nicht?Schmitz: Nein, da gibt es Defizite. 14 Tage ist in der Stadt tote Hose und dann knubbelt es sich am Wochenende. Sie monieren, dass es keine strategische Planung gibt?Schmitz: Genau. Das macht Düsseldorf wesentlich besser. Da muss die Marketing GmbH einfach sehr viel besser werden. Die PersonenDetlef Schmitz, Fraktionsvorsitzender der WfW, ist 56 Jahre alt und verheiratet. Schmitz ist technischer Bundesbahnbetriebsdirektor im Ruhestand. Er arbeitet in zahlreichen städtischen Ausschüssen mit
Reimar Kroll, Vorsitzender der WfW, ist 65 Jahre alt und verheiratet. Kroll ist Diplom-Kaufmann und pensioniert. Kroll ist Mitglied der Bezirksvertretung Uellendahl-Katernberg.