Serie: Welches Süppchen kochen Sie? Jörg Heynkes kocht ohne Rezept
Der unabhängige Kandidat auf der Liste der Grünen will Historisches erreichen - wie, weiß er selbst noch nicht.
Wuppertal. Jörg Heynkes sitzt schon im Garten, als es losgehen soll. Mit Blick über das weitläufige Gelände, das seinen Garten darstellt, hat er bereits Pellkartoffeln für den Auflauf geschält und dabei auf dem Tablet das Spiel Gladbach gegen Mainz geschaut. Es steht 1:0 für die Borussia. „Sie haben Glück. Wenn Gladbach verliert, kann meine Laune in den Keller gehen“, sagt er. Also erst einmal alles gut: Gladbach führt, die Sonne scheint.
Und der Wahlkampf? „Läuft super“, sagt Heynkes, mittlerweile in seine Küche umgezogen. Das Spiel läuft weiter auf dem kleinen Bildschirm, ohne Ton. „Ich bekomme super Feedback, aber das ist natürlich total subjektiv.“ Auf jeder Veranstaltung bekomme er positive Rückmeldungen — aber da seien eben nicht alle Wähler des Wahlkreises Wuppertal II zugegen. In diesem tritt Heynkes als unabhängiger Kandidat gegen Andreas Bialas (SPD) an, der seit sieben Jahren im Landtag sitzt. Zuletzt hatte Bialas hier 47 Prozent der Stimmen gewonnen.
Aber an seinen Sieg glaubt er trotzdem. An seinem Kühlschrank hängt ein Abreißkalender, der die Tage bis zur Wahl zählt. Heynkes blickt zuversichtlich darauf. Am 14. Mai will er mit seinen Helfern im Garten grillen, und wenn dann Hochrechnungen hereinkommen ins Rathaus fahren. Sollte sich dann ein Sieg abzeichnen, „fahren wir nach Düsseldorf in den Landtag. Da sind die Fernsehteams. Dann haben wir Historisches geschafft.“ Heynkes will der erste Direktkandidat abseits von SPD und CDU werden, der seit Claire Bläser in den Landtag einzieht.
Heute gibt es Gemüse-Fleisch-Frikadellen und Kartoffel-Gemüse-Auflauf. Wie wir vorgehen? „Ganz sicher bin ich noch nicht“, sagt Heynkes. „Ich habe noch nie nach Rezept gekocht, ich lege einfach los.“ Er sieht Parallelen zu seinem Geschäftsleben, aber auch zur Politik. „Ich bin Praktiker, mittlerweile im zehnten Beruf. Und bis auf einen habe ich keinen davon gelernt. Ich habe kein Abitur, kein Studium. Ich habe mir alles selbst beigebracht“, sagt er und schneidet den Porree in Scheiben.
Das würde auch in der Politik nötig werden. Denn bis auf wenige Jahre in der SPD hat Heynkes keine politische Erfahrung. „Ich kenne den Betrieb gar nicht, nicht die Spielregeln und Mechanismen. Das müsste ich mir erarbeiten. Aber davor ist mir nicht bange. Das musste ich immer.“
Der fehlende Bezug in die Ränge der Berufspolitiker kann ein Vorteil sein — jedenfalls mag man das denken, in Zeiten von Donald Trump oder Martin Schulz, dessen fehlendes Abitur Teil seiner Selbstvermarktung ist, Teil des Hypes. Trotzdem fehlen aber auch Innenansichten, Parteiunterstützung und Netzwerke. Kein Thema für Heynkes. Er knabbert in Ruhe geschnittene Paprikastücke und sagt, er habe keine Probleme damit, sich Netzwerke aufzubauen. „Davon lebe ich.“ Er erreiche schon, was er wolle: „Ich bin tierisch penetrant. Sonst erreicht man nichts. Keine Gerechtigkeit, keinen Service, keine Unterstützung.“
Heynkes will viel bewegen — in der Partei und der Politik an sich. „Die Grünen könnten durch mich zu neuen Erkenntnissen gelangen“, sagt er, weil er als IHK-Vizepräsident und Unternehmer die Wirtschaft kenne. „Ich weiß, wo der Schuh drückt.“ Auch für die Demokratie an sich hat er Vorstellungen: „Wenn wir unsere Demokratie retten wollen, müssen sich die Parteien ändern, viel projektorientierter arbeiten.“
Junge Leute träten nicht in Parteien ein, sie engagierten sich direkt da, wo sie etwas ändern wollen. Heynkes kann das verstehen. Wenn die Abende am Arrenberg so langweilig gewesen wären, wie die, die er bei Parteien erlebt hat, hätte er sich nie engagiert, sagt er.
In der Pfanne brutzeln Zwiebeln, Porree, Kohlrabi, und Paprika. Heynkes gibt Schmand und Weißwein dazu. Dann Speck. Die Planlosigkeit weicht. Das Essen wird. Die Borussia führt weiter.
Warum er doch in die Politik will? „Ich habe Angst vor Verhältnissen wie in Frankreich oder den USA bekommen“, sagt er. Und schiebt dann seinen Ehrgeiz hinterher. Er sei jetzt 54. Er könnte nun auf die Rente warten oder eben etwas Neues versuchen.
Und er will die Themen richtig setzen. Vor allem, was Umweltschutz und erneuerbare Energien angeht. „Es geht um das Überleben der Menschheit“ sagt er. „Das ist auch eine Chance für den Mittelstand“.
Schwere Themen — aber die Laune hält bis zum Essen. Mönchengladbach gewinnt 2:1.