Judas — immer noch aktuell
Die italienische katholische Gemeinde bereitet sich intensiv auf ihre diesjährige Karfreitagsprozession vor. Am Rande der Proben hat die WZ mit Judas-Darsteller Filippo Vinciprova über seine Rolle gesprochen.
Herr Vinciprova, Sie spielen bei der Karfreitagsprozession den Judas. Eine Premiere?
Filippo Vinciprova: Ja, Judas bin ich das erste Mal.
Aber Ihr erster Auftritt ist das nicht. . .
Vinciprova: Nein, inzwischen bin ich fast seit 14 Jahren dabei. Das erste Jahr war ich ein Apostel. Und dann, die letzten Jahre, eigentlich immer Römer.
Sitzt denn der Text schon?
Vinciprova: Ja, eigentlich schon, ich brauche ja nicht viel zu sagen. Die wichtigste Szene proben wir gleich: Ich muss Jesus küssen und sagen: „Salve Maestro“, also „Hallo Meister“.
Wie sind Sie dazu gekommen, bei der Prozession mitzumachen?
Vinciprova: Mein Vater hat vor 20 Jahren mal hier mitgemacht, als Ordner. Dann hat er mich gefragt: „Willst Du nicht mitmachen?“ Und schon war ich dabei, auch erst als Ordner und dann eben als Apostel und Römer.
Wer entscheidet, wer welchen Part spielt?
Vinciprova: Wir haben zwei Regisseure, die die Rollen vergeben. Aber eigentlich sollte ich dieses Jahr etwas anderes spielen, den Apostel. Aber ich wollte lieber den Judas spielen.
Was reizt sie an der Rolle des Verräters Judas?
Vinciprova: Zum einen, ist es überhaupt schön, so eine wichtige Rolle zu spielen. Aber ein Grund ist auch, zu zeigen: Es gibt so etwas auch heute, in unserer Welt. Für Geld verrät man manchmal seine Freunde oder andere Leute. Für Geld macht man alles. Was Judas getan hat, ist hochaktuell.
Würde Sie denn auch die Rolle des Jesus reizen?
Vinciprova: Da braucht man viel Zeit, muss viel Text lernen. Das bedeutet eine sehr lange Vorbereitungszeit. Ich denke, mindestens ein Jahr. So ist es zumindest bei dem, der im Moment Jesus spielt gewesen.
Die Szenen sind komplett auf Italienisch. Für Sie vermutlich kein Problem?
Vinciprova: Nein, überhaupt kein Problem (lacht). Ich bin zwar schon 43 Jahre in Deutschland, aber ich spreche ja auch zu Hause mit der Mutter und den Geschwistern noch viel Italienisch.
Wie sind Ihre Erwartungen an den Karfreitag selbst?
Vinciprova: Ich hoffe, dass wir wieder einen schönen Tag haben. Denn vor drei Jahren hatten wir extreme Minustemperaturen. Das war nicht schön für uns, aber besonders nicht für Jesus. Mit seinem Kreuz, das er die fünf Kilometer weite Strecke trägt. Und dann hat es auch noch geregnet. Bei schönem Wetter kommen einfach auch mehr Leute. Es soll ja schließlich ein Anreiz sein, nicht nur für Katholiken und Evangelische, sondern auch für Moslems oder alle, die eine andere Religion haben, sich das anzuschauen.
Würden Sie denn den Judas gerne noch zwei Jahre länger spielen?
Vinciprova (zögert): Mal gucken. Wenn sich kein anderer meldet. . . Aber ich habe eigentlich immer gern den Römer gespielt.