Kolumne Der Schmuck für die Tora

Wuppertal · Ruth Tutzinger, Vorsitzende des Gemeinderates der Jüdischen Kultusgemeinde, über den Schmuck der heiligen Bücher.

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Foto: Fries, Stefan (fri)

Vor drei Wochen habe ich Ihnen berichtet, dass im Judentum ein geläufiger Name für die Hebräische Bibel „TeNaCh“ lautet und der erste Buchstabe dabei für „Tora“ steht. Tora bedeutet Lehre und Weisung im weitesten Sinne. Da im Judentum die fünf Bücher Mose eine ganz besondere Wertschätzung genießen, nennt man sie Tora und sie nehmen den ersten Platz in der Hebräischen Bibel ein.

Warum haben sie einen so hohen Stellenwert? Sie sind die Gründungsurkunde des Volkes Israel und die Erzählung dieser Gründung ist eingebettet und unlöslich verknüpft mit der Geschichte des Universums und der Menschheit.

Bei allem Sinn für Fortschritt und Entwicklung sind die Erinnerung und die Pflege der Tradition ein wesentliches Merkmal der jüdischen Geistesgeschichte. Darum werden diese für uns Juden so wichtigen Dokumente wie in alter Zeit mit Federkiel und extra angerührter, schwarzer Tinte auf Pergamentbahnen geschrieben. Der Sofer, wie der Schreiber genannt wird, ist ein über einige Jahre ausgebildeter, sehr sorgfältig arbeitender Mann. Heute können natürlich auch Frauen dies erlernen.

Man darf sich im Text nicht verschreiben, denn eine Korrektur auf dem Pergament ist nur selten möglich. Wenn das nicht geht, muss die ganze Bahn neu geschrieben werden. Die fertigen Bahnen werden zusammengenäht und an gedrechselten Holzstäben befestigt. Die erste und die letzte Bahn müssen so gearbeitet sein, dass sie angenäht werden können, da man keine Nägel verwenden darf.

Denn aus Eisen und Kupfer wurden früher Waffen hergestellt und mit Kriegswerkzeugen sollte die Tora nicht in Verbindung gebracht werden. Sie werden jetzt denken: „Aber es wird doch von Kriegen in den Texten berichtet?“ Das stimmt. Doch diese Kriege waren keine Angriffskriege und wurden nach den damaligen Vorstellungen unter den Augen Gottes geführt. Heute, nach 3000 Jahren, kann man darüber natürlich trefflich streiten. Wir Juden lassen den überlieferten Text aber unangetastet.

Wie ich schon geschrieben habe, werden die fünf Bücher Mose im Laufe eines Jahres einmal ganz durchgelesen. Dazu sind sie in Wochenabschnitte eingeteilt worden. Soweit wie man gelesen hat, werden die Bahnen jeweils vorgerollt. Damit die Rolle, wenn man sie wegstellen will, nicht auseinanderdriftet, wird sie mit einem Wimpel sorgfältig umwickelt. Was ist das für ein Wimpel?

Um dies zu beantworten, muss ich ein wenig ausholen. Viele Menschen haben sicher die immer wieder aufkommenden Beschneidungsdiskussionen verfolgt. Bei Juden werden die Knaben, sofern sie gesund sind, am 8. Tag nach der Geburt beschnitten. Der Knabe tritt damit ein in den Bund mit Gott, den schon Gott mit Abraham geschlossen hat. Mädchen werden nicht beschnitten, sondern am Schabbat nach der Geburt gesegnet und so in den Bund aufgenommen. Die Windel, die der Knabe bei der Geburt getragen hat, wird gewaschen, in Streifen geschnitten, aneinandergenäht zu einem langen breiten Band und mit dem Namen des Knaben und des Vaters mit Blumen und Ornamenten bestickt oder bemalt. Das ist dann ein Wimpel, den man der Gemeinde schenkt und mit dem die Rolle umwickelt wird. Da die Kinder heute meistens keine Stoffwindeln mehr tragen, gibt es nur noch sehr wenige Wimpel und man nimmt stattdessen mit Gummi durchzogene Samtbänder mit hübschen Schnallen aus Silber.

Wenn die Rolle nun umwickelt ist, zieht man den Tora-Mantel darüber. Die Stäbe haben oben kleine Holzteller, auf denen der Mantel aufsitzt. Er ist meistens aus Samt gearbeitet, dunkelblau, weinrot oder grün und er ist schön bestickt. Für die Hohen Feiertage haben die meisten Gemeinden noch Tora-Mäntel aus weißer Seide, die mit Gold- und Silberfäden bestickt sind. Der Mantel ist ein Schmuck, vor allem aber auch ein Schutz für die kostbare Pergamentrolle.

Zur weiteren Ausstattung gehört der „Ezba“, der Lesefinger. Das ist ein kunstvoll gearbeiteter Stab aus Silber, früher verwendete man auch Elfenbein. An der Spitze des Stabes befindet sich eine kleine Hand mit einem ausgestreckten Zeigefinger. Wenn man aus der Rolle vorträgt, benutzt man diesen Stab, damit man bei der gleichförmigen Schrift nicht die Zeile verliert. Den eigenen Zeigefinger soll man nicht nehmen, weil man mit dem Körperfett die Schrift ruinieren würde. Dieser Lesefinger wird mit einer daran befestigten Kette aus Silber über die Stäbe gehängt.

Zur Festtracht des Hohenpriesters gehörte in der Tempelzeit ein Brustschild mit zwölf Halbedelsteinen. Zur Erinnerung daran, wird auch die Torarolle mit einem Brustschild behängt. Dieser ist in der Regel aus Silber gearbeitet. Oft zeigt er zwei besondere Säulen, die den Eingang des ersten Tempels schmückten und „Jachin“ und „Boas“ hießen. Weiter sind die Bundestafeln, in die Mosche die zehn Gebote eingemeißelt hatte, abgebildet. Statt der Säulen können auf dem Schild auch zwei Löwen, das Symbol des Stammes Juda, abgebildet sein. Wenn diese Stücke ihren Platz gefunden haben, ist auf den Stangen noch Raum für die Kronen, die entweder zwei Granatäpfeln oder Königskronen nachgebildet sind. Granatäpfel haben sehr viele Kerne und sollen uns daran erinnern, dass wir so viele gute Taten tun sollen wie der Granatapfel Kerne hat. Die Königskrone, die oft mit Glöckchen behängt ist, ist ein Symbol der Weisheit. Alle Schmuckelemente sind von hoher Silberschmiedekunst. Sie sind Ausdruck von Liebe und Verehrung und von Freude für Herz und Sinne durch die Jahrhunderte.