Judenverfolgung in Wuppertal - „Ich hatte keine Angst“
Die Schwelmerin Martha Kronenberg half auch Juden aus Barmen.
Wuppertal. „Ich hatte keine Angst. Mit einer Karre Kohlen bin ich zu Fuß nach Wuppertal gegangen. Die Leute waren im Luftschutzkeller. Ich konnte über einen Seiteneingang in das Haus. Manchmal habe ich mir auch einen Stern angetan, dass ich da rein konnte.“
Unvorstellbaren Mut bewies die 30-jährige Bäckerstochter Martha Kronenberg aus Schwelm in den Jahren um 1941, als sie notleidenden Juden ihrer Heimatstadt und Wuppertals zur Seite stand. Sie versorgte sie mit Brot, Kohlen und anderen Lebensnotwendigkeiten, vor allem auch mit Trost und Hoffnung. Vorbild war ihr der eigene Vater Johannes Kronenberg, ein konsequenter Katholik, der mit seiner Bäckerei in Schwelm eine führende Rolle im subversiven Netzwerk des katholischen Widerstands einnahm.
Als der junge Schwelmer Max Calmann, zuletzt Geschäftsführer des Oberbarmer Metallbetriebs Weißkopf & Co., nach Amerika floh und seine 60-jährige Mutter in der Anonymität Wuppertals untertauchen ließ, begann Martha regelmäßig auch Barmen anzusteuern. Martha nutzte die Verdunklung der Straßen bei den häufigen Luftalarmen, um ungesehen zu verschiedenen Judenhäusern Barmens zu gelangen. 1942 stand den Seniorinnen die Deportation bevor. Martha war in den letzten Stunden an ihrer Seite.
„Drei, vier, fünf oder acht Frauen wohnten da: Frau Nathan, Frau Wolff, Frau Ebstein, Frau Goldschmidt, Frau Sternberg - ein ganz jüdisches Haus. Am Abend, bevor sie geholt wurden, war ich bei ihnen. Wir haben alles zusammengesucht, was sie mitnehmen wollten. Sie waren ja alt und zittrig, über siebzig. Die Frau Goldschmidt war fast achtzig, konnte kaum sehen, hatte eine Binde um und einen Krankenstock und den Rucksack. Sie haben doch nicht daran gedacht, dass sie im Alter noch umgebracht wurden.“
Am folgenden Morgen begleitete Martha die Damen zum Bahnhof Steinbeck. „Das Leid dort war furchtbar. Diese Abschiedsszenen - ich war krank, krank war ich. Morgens kamen sie in den Waggon, und abends um sieben stand der Waggon noch 20 Minuten entfernt in Oberbarmen. lhre Notdurft mussten sie alle darein machen. Frau Nathan sagte noch, stand sie so vor ihrem Haus, als die letzte ging: Gott strafe Barmen. Später ist ja Phosphor über Barmen gekommen. Und das Haus ist stehengeblieben.“