Junges Orchester begeistert mit Mahler

Mit der dritten Sinfonie in d-Moll wählten die Musiker ein epochales Werk, das lange nicht im Tal zu hören war.

Foto: Gerhard Bartsch

In diesem Jahr begeht das Junge Orchester NRW seinen 33. Geburtstag. Es ist mittlerweile zu einer festen Institution im bevölkerungsreichsten deut-schen Bundesland geworden. Denn der überwiegend aus Schülern, Studenten und jungen Laienmusikern bestehende Klangkörper hat sich den guten Ruf erworben, niveauvolle Konzerte zu präsentieren. Es pflegt besonders große Musik aus der Romantik und Spätromantik.

Ein epochales Werk aus dieser Epoche hatte es sich zu seinem Jahrestag ausgesucht, das in Wuppertal seit vielen Jahren nicht mehr erklungen ist: die dritte Sinfonie in d-Moll von Gustav Mahler. So war der Große Saal der Stadthalle gut besucht.

Diese Dritte entstand Ende des 19. Jahrhunderts. Es war eine Zeit, in der Komponisten gerne für eine sehr große Orchesterbesetzung schrieben. 16 erste Geigen sind die Regel. Für dieses Opus verlangt Mahler außerdem unter anderem acht Hörner, eine gewaltige Schlagzeugabteilung, Chöre, eine Gesangssolistin und sogar ein Fernorchester. Dicht gedrängt hätte das junge Orchester auf der großen Bühne Platz gefunden — abgesehen von den aus der Ferne spielenden Instrumentalisten.

Doch es war mit 90 Streichern (darunter 22 erste Geigen und 11 Kontrabässe) und zehn Hörnern sogar noch größer als vom Komponisten vorgeschrieben. Also mussten die ersten Stuhlreihen des Auditoriums entfernt werden, um die Bühne zu vergrößern. Trotzdem musste Ingo Ernst Reihl, der das Orchester ins Leben rief, über eine vorne angebrachte Treppe das Dirigentenpult erklimmen.

Diese außergewöhnliche Dimension schadete dem Klang jedoch nicht. Gerade der Streicherapparat profitierte davon, da er so — wie bei professionellen Orchestern mit üblicher Größe — über einen sonoren Sound verfügte. Der ist auch nötig, um den musikalischen Gehalt dieses etwa 95-minütigen Werks voll zur Geltung kommen zu lassen.

Mahler schrieb einmal in einem Brief über sein Opus: „Und so bildet mein Werk eine alle Stufen der Entwicklung in schrittweiser Steigerung umfassende musikalische Dichtung. Es beginnt bei der leblosen Natur und steigert bis zur Liebe Gottes! … Meine Symphonie wird etwas sein, was die Welt noch nicht gehört hat. Die ganze Natur bekommt darin eine Stimme und erzählt so tief Geheimes, was man vielleicht im Traume ahnt.“

Diese Entfaltung brachte das Orchester unter Reihls stets zuverlässigem und umsichtigen Dirigat voll zur Geltung. Vom Sommeranfang, über eine unbekümmerte Idylle, jagende und dunkle Momente, innige Stimmung bis hin zum hymnischen Finale konnten sämtliche musikalische Schilderungen leicht nachvollzogen werden. Von der ersten Note an spielten die Musiker sicht- und hörbar entschlossen auf, sorgten für ein nuanciertes Klangbild und zogen große musikalische Spannungsbögen.

Auch die nicht leichte Passage des Fernorchesters kam fast perfekt von oben links hinter der Empore. Das dunkle Timbre des ausgewogenen Mezzosoprans von Stephanie Lesch passte perfekt zu dem Solo „O Mensch! Gib acht!“. Auch die drei Kinderchöre aus Hagen, Mühlheim an der Ruhr und Witten wie der für dieses Projekt zusammengestellte Frauenchor (Einstudierung: Andreas Feilen) zeigten sich vorzüglich disponiert. Das „Bimm Bamm“ der Jugendlichen und die Weise „Es sungen drei Engel einen süßen Gesang“ sangen sie außerordentlich harmonisch und ergreifend.

So kam dieses sechssätzige Riesenwerk zu einer spannenden Aufführung, zumal auch die musikalischen Gegensätze von Zartheit und Härte wie Mystik und Naivität deutlich herausgearbeitet wurden. Der begeisterte, lang anhaltende Schlussapplaus inklusive stehende Ovationen war logisches Resultat.