Kinder in Not: Sprockhövel holt sich Hilfe aus Bottrop
Der freie Träger „Flow“ löst das kommunale Ordnungsamt ab. Die Zusammenarbeit ist für ein Jahr angelegt.
Sprockhövel. Wenn Kinder und Jugendliche Schutz und Obhut bedürfen, kommt das Jugendamt spätestens in den Nächten und am Wochenende an seine Grenzen. Um diese Bedarfslücke zu schließen, setzt die Stadt inzwischen auf den Einsatz der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung „Flow“. Im Rahmen der Ausschusssitzung für Jugendhilfe und Schule wurde die Arbeit des neuen städtischen Kooperationspartners nun vorgestellt.
Das gemeinnützige Unternehmen aus Bottrop dient seit Ende vergangenen Jahres zur Rufbereitschaft an Wochenenden, wenn Eltern aus Sprockhövel Hilfe brauchen oder ins Krankenhaus müssen, das Kindeswohl gefährdet ist oder Kinder und Jugendliche in Straftaten verwickelt sind.
„Krisen finden nun mal auch am Wochenende statt“, weiß Jugendamtsleiterin Ilse Crefeld und erklärt, dass die Abdeckung des Wochenendbereitschaftsdiensts bislang vom Ordnungsamt übernommen worden sei und „Flow“ hier nun „aus fachlicher Sicht wesentlich geeigneter“ sei.
Die freie Institution, die in Sprockhövel in den ersten drei Monaten bereits viermal zum Einsatz gekommen ist, wurde 1995 in Gelsenkirchen gegründet und fungiert inzwischen in 21 Kommunen. Seitdem ist „Flow“ kontinuierlich gewachsen und zählt inzwischen 520 Mitarbeiter. Im Zuge seiner an die örtliche Polizei gebundenen Rufbereitschaft bietet man durch seine zertifizierten Kinderfachkräfte je nach individuellem Bedarf Telefon- und Vermittlungsservices, ambulante Vor-Ort-Hilfe und Tagesbetreuungen an. Im äußersten Notfall, wenn es keine andere Unterbringungsmöglichkeit mehr gibt oder die Familienverhältnisse komplett zerrüttet sind, kooperiert man mit verschiedenen Kinderheimen und kann hier aus insgesamt 400 stationären Heimplätzen schöpfen.
So hat man auch in Sprockhövel im Vorjahr an der Bochumer Straße ein Klärungs- und Perspektivhaus (KuP) gegründet und kann in Not geratenen Jugendlichen hier in eine Tages-Wohngruppe vermitteln. Die entsandten Kinderfachkräfte kommen indes aus der Bereitschaftspflegestelle Egge in Witten. „Wir haben uns auch bei anderen Städten über den Service informiert, wobei alle voll des Lobes sind“, erklärt Crefeld und spricht von einem „gelungenen Start“. Dennoch hat sich die Stadt auf eine gewisse Testphase beschränkt und ihre „Fremdhilfe“ zunächst auf einen befristeten Ein-Jahres-Vertrag begrenzt.
„Wir wollen in jeder Situation alles dafür tun, damit Kinder und Jugendliche geschützt sind und sie auch in Krisensituationen gut versorgt sind“, hat sich „Flow“-Geschäftsführer Hermann Muss auf die Fahnen geschrieben. „Das allermeiste kann jedoch erfahrungsgemäß telefonisch abgeklärt werden. Hier gilt es zunächst einmal, eine Situation richtig einzuschätzen und dann sämtliche Verwandte und Bekannte abzutelefonieren“, erklärt der Familienhelfer, dass ein Kind in der Regel dann doch bei der Oma unterkommen könne, sich die in eine Krise geratene Eltern jedoch oftmals nicht trauen würden, dort anzurufen und sich ihre Not einzugestehen. „Wir versuchen natürlich immer erst einmal, eine Fremdobhut zu vermeiden“, stellt Muss klar, Der Kontakt zur Rufbereitschaft laufe indes stets über den Notdienst der Polizei. Eine direkte telefonische Durchwahl zu „Flow“ gebe es bewusst nicht, so dass die Entscheidung über einen Bedarfsfall zunächst allein in der Hand der Polizei liegt.
Das Ordnungsamt, das bisher für die Wochenenden und Zeiten außerhalb der Jugendamt-Öffnungszeiten zuständig war, sei indes „nun komplett raus“, bestätigt Jugendhilfe-Planer Jens Kozay und ergänzt, dass die Zusammenarbeit in den ersten Monaten „hervorragend begonnen“ habe und auch die vier Bedarfsfälle „glücklich abgelaufen“ seien. „Wir sind froh, einen sehr erfahrenen Partner gefunden zu haben und sind optimistisch, dass die Zusammenarbeit auch über das erste Jahr hinaus gehen wird“, so Kozay.