Wuppertal Institut Klimaschutz: Ist ein Wandel in Sicht?
Ein Zwischenfazit des Wuppertal Instituts zum Transformationsprozess.
Seit Monaten steht der Klimaschutz international im Fokus der politischen und gesellschaftlichen Diskussionen. Zu Recht! Denn von Jahr zu Jahr steigt der Handlungsdruck und die Zeit wird immer knapper, die irreparablen Schäden, die der Klimawandel verursacht, zu begrenzen.
Die Nachricht, dass die CO2-Emissionen in Deutschland in 2019 im Vergleich zum Vorjahr um rund 50 Millionen Tonnen gesunken sind, kam da gerade recht. Aber heißt das auch, dass die bis dato große Lücke, die Emissionen in Deutschland bis 2020 gegenüber 1990 um 40 Prozent zu reduzieren, noch erfüllt werden kann und damit das selbst gesteckte Ziel der Bundesregierung zu erreichen? Pauschal lässt sich die Frage nicht beantworten und die Umstände müssen differenziert betrachtet werden. Denn die gesunkenen CO2-Emissionen im vergangenen Jahr sind nicht zuletzt auf verschiedene Sondereffekte zurückzuführen, wie etwa den deutlichen Anstieg der CO2-Zertifikatepreise im europäischen Emissionshandel sowie die milde Witterung. Diese Effekte wiederholen sich nicht jedes Jahr.
Das Minderungsziel für das Jahr 2020 kann aber ohnehin nur als Zwischenschritt auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität verstanden werden, die spätestens bis 2050 notwendig ist. Als nächster zentraler Meilenstein müssen die Emissionen bis zum Jahr 2030 um 55 Prozent (gegenüber 1990) reduziert werden. Dies erfordert nun die volle Konzentration der Politik und engagiertes Handeln. Mit der Verabschiedung des Klimaschutzgesetzes und des Klimaschutzprogramms hat die Bundesregierung im Dezember 2019 dafür zentrale Eckpunkte festgelegt. Aber genügt das?
Derzeit sind wissenschaftliche Gutachten in Arbeit, die mit hoher Wahrscheinlichkeit belegen werden, dass die mehr als 60 im Klimaschutzprogramm fixierten Maßnahmen noch nicht ausreichen, um die 55-Prozent-Marke zu erreichen, sondern zusätzliche Aktivitäten erforderlich sein werden. Der von der neuen EU-Kommission angestrebte „europäische Green Deal“ kann dabei maßgeblich unterstützen, zusätzliche Impulse setzen und die Umsetzung weiterer Maßnahmen erleichtern. Auf der anderen Seite können gesteigerte europäische Ambitionen aber auch dazu führen, dass das nationale Klimaschutzpaket wieder aufgeschnürt werden muss. Einigt sich der Europäische Rat auf eine Anhebung der europäischen CO2-Minderungsziele für das Jahr 2030 von bisher 40 Prozent (gegenüber 1990) auf 50 oder sogar 55 Prozent – wie es derzeit in der Diskussion ist und von einigen Mitgliedsstaaten favorisiert wird –, dann ist dies nur mit einer Ambitionssteigerung Deutschlands zu schaffen. Und hierfür sind dann noch einmal zusätzliche Maßnahmen notwendig.
Aber was bedeutet das für die deutsche Energie- und Klimaschutzpolitik? Weiter durchzustarten muss jetzt die Devise sein! Was einfach klingt, ist in der Praxis aber mit viel Arbeit verbunden: Auf der Stromseite ist beispielsweise die schnelle Umsetzung des Kohleausstiegsbeschlusses notwendig. Parallel dazu müsste der rückläufige Beitrag der Kohle an der Stromerzeugung klimaneutral durch einen weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien kompensiert werden. Allerdings hapert es momentan leider aus unterschiedlichen Gründen gerade hier, vor allem bei der Windenergie an Land. Auch dringend notwendige begleitende Maßnahmen auf der Infrastrukturseite gehen nicht schnell genug, dazu gehört etwa der Ausbau der Stromtransportnetze sowie die Ertüchtigung der Verteilnetze.
Energiewende bedeutet nicht nur Veränderungen bei der Stromerzeugung. Auch ein Maßnahmenmix für die Mobilität, Gebäude und Landwirtschaft ist erforderlich. Erreichen lässt sich das mit Maßnahmen, die über das Klimaschutzprogramm aus dem vergangenen Jahr hinausgehen. Dies umfasst neben dem Durchbruch bei alternativen Antrieben wie der Elektromobilität unter anderem ein mutiges Umsteuern vom heute dominierenden motorisierten Individualverkehr auf Fuß- und Radverkehr und den öffentlichen Verkehr. Dies bringt nicht nur einen Beitrag zum Klimaschutz, sondern gibt die Städte und ihre Flächen auch zurück an die Bürger.