Bernd Mottl inszeniert für die Oper „Die Zauberflöte“ - die Premiere ist für den 13. September angesetzt Wenn Wuppertal bei Mozart mitspielt
Die Schwebebahn war fest in den Drehplan eingeplant. In einer Szene sollte sie drei Knaben zur Oper bringen. Nun fährt sie nicht. Also muss nach Alternativen gesucht werden. „Aber die finden sich schon“, ist Bernd Mottl sicher.
Der gebürtige Mönchengladbacher und Wahl-Berliner ist seit dieser Woche wieder in Wuppertal, um die erste Premiere der Oper weiter vorzubereiten. Mozarts „Die Zauberflöte“, ein „zeitloses Stück“, das der Regisseur den Menschen in der Stadt nahebringen will. Auf vielfältige Weise, klassisch und modern, auf der Bühne und im Film – und unter erschwerten Bedingungen. Nicht nur wegen der stillgelegten Schwebebahn. Auch die Coronakrise macht das Arbeiten nicht einfacher.
Die Idee kam von Berthold Schneider. Der Opernintendant wollte Mozarts Märchen auf die Bühne bringen und es zugleich mit Wuppertal verbinden. Bei Mottl rannte er damit offene Türen ein. „Die Zauberflöte ist Volkstheater, also versuchen wir die Wuppertaler abzuholen“, entschied der 54-Jährige und erklärte die Stadt zur „heimlichen Hauptdarstellerin“ seiner Inszenierung. Eine Hauptdarstellerin mit schönen Bildmotiven wie der Hardt oder der Nordbahntrasse, die dem Radler Mottl besonders gefällt. Außerdem müsse ein Stadttheater identitätsstiftend wirken, von jedem verstanden werden können. „Wir müssen die Menschen erreichen, die tagsüber gearbeitet haben und sich intelligent unterhalten lassen wollen“.
Nun also mit Mozart, der zeitlos und bekannt, und damit fast schon problematisch sei, weil jeder die richtige Version zu kennen meine. Wie jedes Märchen gehe es um Gut gegen Böse. Hinzu komme der aufklärerische Gedanke, der hinterfrage, ob gut wirklich gut und böse wirklich böse sei. Heißt konkret: Die Königin der Nacht (Nina Koufochristou) wird um ihren Machtanspruch betrogen. Sarastro schmeißt sie und ihre drei Damen aus dem Märchenreich. Sie landen in der Realität, in diesem Fall im Wuppertal des Jahres 2020, und versuchen, wieder ins Opernhaus zurückzukommen. Zunächst aber müssen sie sich behaupten und einen Job suchen: Also stehen sie wie die „Drei Damen vom Grill“ im Imbisswagen.
Filmemacher Jörn Hartmann setzt diese realistisch-moderne Ästhetik in Videos um, schickt dafür Ralitsa Ralinowa (Pamina) mit einem Dönermesser in die Stadt oder lässt Simon Strecker (Papageno) als opernfernen Straßenpuppenspieler am Hauptbahnhof agieren.
Mit verminderter Personnage,
aber voller Gültigkeit
Die Videos sollen die Zuschauer abholen, „weil unsere Welt durch realistisches Bildmaterial geprägt ist“, erklärt Mottl. Bewusster heutiger Kontrast zur konservativen, patriarchalisch-chauvinistischen Märchenwelt von Sarastro (Sebastian Campione) in der Oper, deren gemalte Ästhetik Anleihen bei Schinkels Historismus nimmt.
Mottl kommt vom Schauspiel, ist seit Jahren auch in Oper, Musical und Operette zuhause, gibt keiner Sparte den Vorzug. „Ich freue mich immer auf die Arbeit, die gerade dran ist“, sagt er. Die Filmaufnahmen freilich sind für ihn neu, er sieht sie kritisch. Er sei kein Freund „von Bildschirmen auf Bühnen, die in irgendwelchen Nischen nebenher laufen und nur vom Geschehen ablenken“. Dennoch freut er sich auf Hartmanns Aufnahmen, diese zusammen mit der Musik Mozarts zu erleben, „groß wie im Kino als eigener Protagonist“.
Keine Freude bereitet der Umgang mit der Coronakrise. Die Zauberflöte sei wie eine große Revue, was einen „Riesenaufwand, auch personell“ bedeute, entsprechend groß inszeniert werden sollte. Nun aber mit verkleinertem Chor und Orchester aufgeführt werden muss. Von vor der Pandemie geplanten 80 Akteuren kommen nun 40 zum Einsatz. Und das mit Abstand – auch schon bei den Proben. Mit Mundschutz, vielen Pausen, Lüften und Desinfizieren sowie innerer Kontrolle. Vor der Sommerpause im Juni war das schon so und jetzt wieder. Andererseits sei die Oper bildhafter und bedürfe nicht wie andere immer wieder der Berührung, macht sich Mottl Mut. Vor allem aber: Sie komme „in voller Gültigkeit“, ohne wirkliche Abstriche, auf die Bühne, wofür er Schneider dankbar ist.