Engels-Jubiläum „Friedrich Engels wäre Anhänger von Fridays for Future gewesen“
Professor Lars Hochmann stellte Engels in der City-Kirche in eine Linie mit den Klimaaktivisten. Es gebe eine entscheidende Gemeinsamkeit.
Den berühmten Sohn der Stadt feiern reicht nicht. Das finden jedenfalls die Macher der Reihe „Engels neu denken“. Den 200. Geburtstag nehmen die Kuratoren Rainer Lucas, Reinhard Pfriem und Hans-Dieter Westhoff als Gelegenheit, Engels‘ Denken und politisches Wirken zur Diskussion zu stellen. An sechs Abenden und unterschiedlichen Orten sollen Wissenschaftler, Unternehmer und Künstler in einen Dialog treten. Das Publikum ist eingeladen mitzudiskutieren.
Beim Auftakt in der City-Kirche Elberfeld suchte Moderator Lucas auch das Gespräch mit OB Mucke: „Was sagt Ihnen Engels heute noch?“ Die von Engels festgestellten sozialen Gegensätze, antwortete Mucke, seien immer noch zu sehen – wenn auch in abgemilderter Form. Gegenwärtig müsse sich die Stadt um Quartiere mit hoher Arbeitslosigkeit und Kinderarmut kümmern.
Engels habe eine Perspektive in der Überwindung des Kapitalismus gesehen, betonte Lucas. „Wo sehen Sie den zentralen Veränderungsbedarf?“ Der OB erkannte in der ungleichen Verteilung der Vermögen ein Problem. Nicht erst seit Corona fordere die SPD eine Vermögensabgabe. Einen Mietendeckel für Wuppertal mochte er sich dagegen nicht vorstellen. „Für die, die es sich nicht leisten können, brauchen wir sozialen Wohnungsbau.“
Für Lars Hochmann stehen nicht etablierte Parteien in der Engels-Nachfolge, sondern junge Klimaschützer. „Er wäre heute ein begeisterter Anhänger von Fridays for Future“ – mit dieser These hatte der Professor von der Cusanus-Hochschule die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer. Der Jubilar biete sich als „Economist for Future“ an, weil er bereits in seiner Schrift „Dialektik der Natur“ das Streben nach Herrschaft über die Erde kritisiert habe. Engels deute die Naturwissenschaft politisch, „und nichts anderes hat bei Fridays for Future stattgefunden“. Seinen Vortrag beendete Hochmann denn auch mit einem politischen Appell: „Empört euch, widersprecht!“
Auch Uta von Winterfeld (Wuppertal Institut) wollte mit Engels über ihn hinausdenken. Seine „Dialektik der Natur“ bleibe unvollendet, weil das Vorhaben – „die Geschichte der Natur neu schreiben“ – zu groß geraten sei. Dafür habe Engels klar erkannt, dass die Natur eben nicht einfach da, sondern „geworden ist“. Den Widerspruch zwischen menschlicher Naturgebundenheit und -beherrschung löse der Text nicht auf. „Gleichwohl“, so von Winterfeld, „kann von Friedrich Engels sozial-ökologisch viel gelernt werden.“
Technologie war für Engels
ein „Anhängsel“ der Arbeit
„Ich habe in meiner Jugend Marx und Engels sehr distanziert betrachtet“, gab Lutz Becker von der Kölner Fresenius-Hochschule zu. Mittlerweile sehe er in Engels eine „faszinierende Persönlichkeit“, die in einer nicht weniger aufregenden Zeit gelebt habe. Um 1848, sagte Becker, sei das Wuppertal „ein High-Tech- und ein Hinterwäldlerstandort“ gewesen. Überproduktion, Absatzkrisen, Landflucht – alles Phänomene, die sich damals schon gezeigt hätten. Die Bedeutung der Technologie hätte Engels jedoch nicht erkannt, da sie für ihn nur ein „Anhängsel“ der Arbeit gewesen sei.
Von aktuellen Themen sprachen auch die Wortmeldungen aus dem Publikum. Lobend erwähnt wurde Engels‘ Kritik am Wachstumsdenken, die das Wirtschaftsleben weiterhin präge. Der „Systemfrage“, die Rainer Lucas ins Spiel brachte, wurde aber nicht weiter nachgegangen. Engels sei fortschrittlich, erklärte eine Zuhörerin, weil er „das Unterdrückerische der Ehe abgelehnt“ habe.
Die Diskussion setzt sich am Donnerstag, 20. August, in der City-Kirche fort. Dann geht es bei „Engels neu denken“ um Materialismus, Idealismus und Moral.