Chinesische Pianistin überzeugt mit temperamentvollem Spiel
Beim Konzert im Bayer-Klavierzyklus spielt Jin Ju Beethoven, Chopin und Schubert.
Wuppertal. Ob sie das „Jahr des Pferdes“ einläuten wollte? Die junge chinesische Pianistin beim Bayer-Klavierzyklus erfüllte jedenfalls am Donnerstagabend im gut besuchten Mendelssohn-Saal der Stadthalle die Charakteristika, die das neue Jahr im chinesischen Kalender prägen sollen: Schnell und kräftig packte Jin Ju in die Tasten, voller Energie schleuderte sie die langen Haare im furiosen Spiel.
Bei Carl Czernys „La Ricordanza“ überzeugte sie mit Brillanz und blieb doch unverbindlich — genau so sind die fünf Variationen mit den atemberaubenden Effekten angelegt.
Beethovens düsterste und wildeste Sonate op. 57 „Appassionata“ (Die Leidenschaftliche) dagegen bedarf durchaus auch einer gewissen Anschlagspoesie und feinen Nuancierung, die man im Spiel der jungen Pianistin weitgehend vermisste. Überwertig im Pedalspiel, impulsiv und ruhelos und mit holzschnittartiger Dynamik, blieb ihr Spiel bei allem Bemühen um das Herausstellen der Weltuntergangsstimmung plakativ und gewichtig. „Ich bewundere die technische Leistung, aber ich bin auch erschlagen“, gestand Konzertbesucherin Marilyn Morgan, „es klang sogar ein bisschen zwanghaft.“
Und ihr Mann Stewart Lindemann fügte hinzu: „Mir war es zu schwer, aber das ist ja immer eine Frage des Stils und eine persönliche, wie man es gelernt hat.“ Tatsächlich kann man Beethoven so spielen, muss es aber nicht zwangsläufig.
Überzeugender spielte Jin Ju Franz Schuberts „Sonate c-Moll“ D 958. Obwohl auch hier die raschen Sätze fast einen Kampf mit dem Klavier suggerierten und weniger Kraft mehr Ausdruck bedeutet hätte, war das schöne „Adagio“ in seiner Schlichtheit und melodischen Schönheit gut charakterisiert.
Nur bei den Zugaben von Rameau und Chopin verloren die Pastelltöne wieder gegen pastose Klangfarben — allerdings im technisch sehr versierten Spiel.