Uraufführung in der Börse: Die Bühnen lassen Soldaten zittern
Ein Abend, drei Texte: Am Samstag gab es viel Applaus für „Die Kleinen und Niedrigen“.
Wuppertal. Wann endlich beginnt der Krieg? Die Soldaten warten, warten und warten. Sie vertreiben sich die Zeit mit Gesprächen über Masturbation, mit heiteren Liedchen und mit Taschentüchern, die sie sorgsam auf dem Boden ausbreiten, um sich vorsichtig darauf niederzulassen, damit sie sich nicht die Uniform schmutzig machen. Absurd ist diese Situation — aber auch todernst.
Wie schmal der Grat zwischen fröhlichem Fingerschnipsen, kollektiver Kampfsehnsucht und latentem Lagerkoller ist, zeigt ein 90-minütiger Abend, den die Wuppertaler Bühnen in der Börse präsentieren: „Die Kleinen und Niedrigen“ heißt das Projekt, das drei Texte aus drei Epochen vereint.
Robert Walsers „Jakob von Gunten“ entstand vor dem Ersten Weltkrieg. „Der deutsche Hinkemann“ zeigt Konsequenzen: Ernst Toller beschreibt das Leid eines verkrüppelten Kriegsheimkehrers. Der jüngste Text schließlich, Anne Leppers „Oh ist das Morrissey“, entspricht zeitgenössischer Sicht. Und doch bleibt Jakob Fedlers Produktion in der Vergangenheit haften.
Der pausenlose Abend hat Längen, die ermüden — aber auch faszinierend intensive Momente, die aufrütteln. In den besten Szenen wird deutlich, wie eine Uniform die menschliche Seele erniedrigt und zugleich erhebt.
Dorien Thomsen (Bühne und Kostüme) hat eine kleine, aber grandiose Kulisse entworfen: Braunkohlebriketts, die — fein säuberlich nebeneinander geschichtet — den Boden bilden, sind die Bretter, die an einer zentralen Stelle der Collage für drei Soldaten und eine Krankenschwester die Welt bedeuten.
Wie sich die Männer im Lazarett entblößen, um die Schwester bis zur Besinnungslosigkeit niederzuküssen, ist ein Höhepunkt der Uraufführung, die am Samstag viel Applaus bekam. Den meisten Beifall hat sich die Darsteller-Truppe verdient: Julia Wolff, Moritz Heidelbach, Jakob Walser und Marco Wohlwend spielen ergreifend eindringlich.