Kultur Christian Zacharias hat alte Musik im Gepäck
Bayer-Klavierzyklus: Spielzeit ist eröffnet.
Der Klavierzyklus ist das „Flaggschiff“ der Kulturabteilung der Bayer-Werke. Immer wieder gelang es ihr, Weltstars dafür zu gewinnen. Die Reihe dieser Spielzeit eröffnete jetzt kein Geringerer als Christian Zacharias. Alte Musik hatte er im Gepäck, als er im Mendelssohn Saal der Stadthalle für einen gehaltvollen Abend sorgte. Eins gleich vornweg: Es ist nicht fair, Live-Konzerte mit CD-Qualitäten zu vergleichen. Denn an den Silberlingen (Studio- wie Live-Aufnahmen!) wird so lange gefeilt, bis jeder Ton perfekt ist. Dagegen gibt es fehlerfreie Konzerte nicht. Es spielen Menschen und keine Roboter. Missgeschicke sollten nur dann als störend empfunden werden, wenn darunter die musikalischen Bögen leiden. Es war an diesem Abend in jeder Hinsicht verzeihbar, dass an wenigen sehr schnellen Passagen nicht jeder Ton ganz akkurat aus dem Konzertflügel kam. Denn Zacharias verstand es großartig, lebendig zu musizieren.
Barocken Hörgenuss pur gab es gleich zu Beginn mit Johann Sebastian Bachs 3. Partita in a-Moll (BWV 827). Erstklassig war seine Spielweise: eine trockene Tongebung, jeder Ton scharf konturiert, die Achtelnoten portato (ein länger und schwereres Niederdrücken der Tasten als beim Staccato) gehalten, das rechte Pedal sehr sensibel kaum hörbar verwendet, dazu glasklar perlende wieselflinke Läufe und Umspielungen. Von der ersten bis zur letzten Note der jeweiligen Sätze gab es einen großen Spannungsbogen.
Zwei nicht oft im Konzertleben zu hörende Sonaten von Joseph Haydn hatte sich Zacharias außerdem ausgesucht: aus dem Hoboken-Verzeichnis XVI die Nummern 44 in g-Moll und 52 in Es-Dur. Außerordentlich durchsichtig, mit einer kontrolliert ins Lyrische tendierenden Haltung, auch hier nur das rechte Pedal dezent benutzend, Haupt- und Nebenstimmen deutlich darstellend, sämtliche noch so feine Phrasierungen klar gestaltend, brachte er den verspielten Umgang mit Motiven und Themenköpfen außerordentlich packend zum Ausdruck.
Schließlich ging es nach Spanien, wo der Italiener Domenico Scarlatti ab 1729 und sein Zeitgenosse Antonio Soler wirkten. Von Scarlatti sind 555 Sonaten verbrieft, von Soler rund 120. Eine kleine Auswahl präsentierte Zacharias, drückte deren poetischen Gehalt dank seiner differenzierten Anschlagskultur und technischen Brillanz formvollendet aus. Wie damals üblich, interpretierte er das Forte wie ein Tutti und das Piano als Concertino. Auch die Wiederholungen gestaltete er entsprechend dem damaligen Zeitgeist dynamisch unterschiedlich.
Ein großer Pianist und Musiker war zu erleben, der ganz bescheiden, ohne irgendein Aufhebens um seine Person zu machen, allein die Musik für sich sprechen ließ. Das kam an. Während seiner Vorträge war es mucksmäuschenstill. Eine Zugabe, wohl eine weitere Scarlatti-Sonate, war der Dank für den lang anhaltenden Beifall.