Die Bühnen stulpen das Universum um

Im ausverkauften Barmer Opernhaus interpretierten die Künstler Eugen Egners skurrile Geschichte „Der Universums-Stulp“.

Foto: Uwe Stratmann

Wuppertal. Die Wuppertaler Bühnen begeisterten mit einer Uraufführung und demonstrierten am Freitagabend, dass sie ungeachtet der andauernden Spardiskussion Großes leisten können — auch wenn dieser Erfolg im Barmer Opernhaus ganz skurril beginnt.

Ein Sturz aus dem Fenster stülpt das gesamte Universum des Schriftstellers Traugott Neimann um. Einer höheren Macht muss er versprechen, nie mehr die stimulierenden Mittel zu nehmen, ohne die er nicht schreiben konnte. Was dann passiert, ist eine groteske Story, die die Wuppertaler Bühnen als „musikalische Bildergeschichte in drei Heften“ nach dem Roman „Der Universums-Stulp“ vom Wuppertaler Autor Eugen Egner uraufführten.

Regisseur Thierry Bruehl bringt die abenteuerlichen, oft surrealistisch anmutenden Szenen wie einen lebendig gewordenen Comic auf die Bühne. Der ausgeklügelt gestaltete Bühnenraum (Bart Wigger und Tal Shacham) ermöglicht den gleichzeitigen Ablauf mehrerer Handlungen.

Die ausgezeichneten Videosequenzen (Philippe Bruehl) unterstreichen den Zeichentrick-Charakter, und die abgedrehten Kostüme (Wiebke Schlüter) scheinen direkt einem „graphic novel“, also einem aufwendig gestalteten Comic-Roman, entsprungen zu sein.

Überhaupt ist die Egner-Welt der mit schwarzem Humor gespickten Cartoons allgegenwärtig. Was die Sängerinnen und Sänger leisten, ist unglaublich. Komponist Stephan Winkler hat eine 700 Seiten starke Partitur geschaffen, in der er die auf Band eingesprochene Sprache verfremdet und in Musik übersetzt hat. Das klingt wie Sprechsingen oder gesungenes Sprechen — auf jeden Fall ist ihm mit Klangbildern, die auf dem Sprachduktus beruhen, ein zunächst befremdender, aber erfrischend neuer Zugriff zur Musik gelungen.

Alle Vokalstimmen, die meist mit Mehrfach-Rollen betraut sind, überzeugen in hohem Maße. Auch die instrumentale Musik, vom 18-köpfigen Ensemble musikFabrik, das auf der Bühne sitzt, grandios verwaltet, ist alles andere als gefällige Opernmusik.

Wenn man sich eingehört hat in donnernde Blitzgewitter, dumpfes Gebrabbel, untergründiges Mauscheln oder erregte Schlagrhythmen, baut der musikalische Leiter Peter Rundel einen neuen Klangkosmos auf, der einfach nur staunen lässt. Dazu kommt eine aufwendige Klangregie (Paul Jeukendrup): Ungläubig blicken sich die Besucher um, ob sich nicht doch einige Stimmen auf den Rängen versteckt haben.

Und wer wissen will, warum ein Ganghofer-Unfall den Freund Valerian schrumpfen lässt, was Thalia Fresluders Universalhilfe-Institut kann oder was Peking-Enten mit dem Brotaufstrich von Papst Probestenloch zu tun haben, muss es schon wagen, sich dem bildgewaltigen, farb- und klangprächtigen, crossmedialen „Universums-Stulp“ zu stellen.