Die Schatzhüter von Elberfeld

<b>spurensuche Weshalb ein Marées-Werk mehrere Jahrzehnte im Museumsdepot vergessen wurde.

Wuppertal. Gerhard Finckh muss nicht Fallschirmspringen, Marathonlaufen oder Achterbahnfahren. Wenn der Direktor denn überhaupt einen Adrenalinkick nötig hat, findet er ihn im eigenen Büro. Erst machte das Von der Heydt-Museum Schlagzeilen, weil ein Kunstkenner den Verdacht äußerte, dass sich die Sammlung mit falschen Van-Gogh-Werken schmückt (siehe Kasten). Nun sorgt das Museum erneut für Furore - diesmal mit einem selbst gesetzten Paukenschlag.

Als "Glücksfall" bezeichnet Nicole Hartje-Grave die Wiederentdeckung einer Studie von Hans von Marées, die ab dem 8.Juni, 11.30 Uhr, in Elberfeld bewundert werden kann. Die Kuratorin fand die fünf Meter lange Kohlezeichnung, als sie bei den Vorbereitungen für eine große Marées-Ausstellung das Depot inspizierte - und konnte kaum glauben, was sie entdeckte. Die wertvolle Marées-Skizze lehnte an der Wand. Wie die WZ gestern berichtete, schlummerte das Kunstwerk seit 1914 im Depot.

Bleibt eine wichtige Frage: Wie kommt es, dass ein bedeutendes Zeitdokument, das schon wegen seiner imposanten Maße eigentlich nicht zu übersehen ist, bisher so wenig Beachtung fand? "Die Zeichnung war auf ein Holzbrett montiert und in Papier gewickelt. Man konnte also nicht auf Abhieb sehen, was sich dahinter verbirgt", erklärt Finckh.

Zwar ist das vorletzte Werk des Wuppertaler Künstlers in einem Karteikasten verzeichnet - aber ganz offensichtlich trotzdem nicht im Blickfeld der Ausstellungsplaner gewesen. "Wenn man bedenkt, dass das Museum 3000 Gemälde und 30000 Zeichnungen besitzt, ist es gar nicht so ungewöhnlich, dass eine Zeichnung lange Zeit nicht präsentiert wird", so Finckh. "Ungewöhnlich ist es aber, dass ausgerechnet eine Marées-Zeichnung nur einmal das Tageslicht erblickt hat." Das war 1987 - im Rahmen einer Ausstellung in Barmen.

"Also nicht einmal im Haupthaus", wie Finckh betont. Das soll sich nun ändern: Um die neue Wertschätzung des Wagenrennens zu unterstreichen, das der gebürtige Elberfelder 1887 entwarf, wird es im Zentrum der Marées-Schau stehen, die insgesamt 180 Werke ins rechte Licht rückt. Dabei dürfte ein schöner Kontrast entstehen: Um zu demonstrieren, "wie weit der Weg war, den der Wuppertaler ging", zeigt Finckh auch Marées erstes Selbstbildnis auf Leinwand (1855). "Die Selbstsicht ist romantisch angehaucht", sagt Finckh mit staunendem Kennerblick, "die Kohlezeichnung hingegen sieht aus wie von einem antiken Bildhauer gemacht." Staunen sollen deshalb auch seine Gäste - bis zum 14. September.