Elberfelder Frauenchor vor ungewisser Zukunft Elberfelder Frauenchor vor ungewisser Zukunft
Wuppertal · Die Coronakrise hat sämtliche Aktivitäten des Chores lahmgelegt. Im Juni sollte das 95-jährige Bestehen mit einem großen Konzert gefeiert werden.
Er hat eine stolze Geschichte und dieses Jahr einen hohen und runden Geburtstag. Auf seiner Website steht in geschwungenen Lettern „Singen ist Leben ...“ darüber der Satz: „Die Chorproben fallen aus aktuellem Anlass bis auf weiteres aus!“ Der Elberfelder Frauenchor ist ausgeknockt – wie die anderen Chöre einer Stadt, die sich deren Vielzahl rühmt. Ein Ende der Krise, eine Wiederbelebungsperspektive, Lösungsansätze – Fehlanzeige. Der Chor meldet SOS.
Es sollte ein großes Jubiläumskonzert zum 95-jährigen Bestehen werden. Gemeinsam mit dem Frauenchor Vohwinkel, der 2021 40 Jahre alt wird, wollte es der Frauenchor Elberfeld am 14. Juni in der Historischen Stadthalle begehen. Die Vorbereitungen für das insgesamt dritte gemeinsame Konzert liefen seit Monaten. „Wir mussten das Konzert stornieren“, sagt Chorvorsitzende Ursula Philippeit traurig.
Jubiläumskonzert mit dem Frauenchor Vohwinkel abgesagt
Und Chorleiterin Simone Bönschen-Müller ergänzt: „Weder wir noch die Stadthalle können sagen, wann ein solches Konzert wieder möglich ist.“ Gecancelt ist auch ein Beethoven-Konzert, das mit dem ebenfalls 95 Jahre alt werdenden MGV Alemannia Vohwinkel geplant war. Theoretisch bleibt ein weiteres Konzert, das vielleicht zu Weihnachten das Jubiläumsjahr abgerundet hätte. „Das ist alles jammerschade“, sagt die 79-jährige Vorsitzende. Und Bönschen-Müller berichtet, dass fast alle Chöre in Wuppertal mittlerweile ihre Weihnachtskonzerte abgesagt hätten.
Gesucht wird die Quadratur des Kreises: Seit einem Vierteljahr haben die 22 Sängerinnen nun nicht mehr geprobt. Virtuelle Hilfsmittel wie Zoom seien keine Alternative. Die Damen sind im Durchschnitt 68 Jahre alt, da fehlen Ausrüstung und Zugang. Außerdem, so Bönschen-Müller scheiterten digitale Proben an der klanglichen Verzögerung, das sei weder lustig noch zielführend. Man höre nur die eigene Stimme, die der anderen nicht, sagt Philippeit. Ein Problem, das auch Proben mit Abstand im Außenbereich erschwere.
10 bis 12 Quadratmeter pro Sängerin einplanen
Die 45-jährige Bönschen-Müller leitet insgesamt sechs Chöre, darunter die TonTaler. Sie hofft nun, mit diesem Ensemble in kleinen Gruppen zu proben. Den notwendigen Gesamtgesangseindruck kann sie so jedoch nicht erreichen. Der wiederum bei Abstandsforderungen von 10 bis 12 Quadratmeter Fläche pro Sängerin auch gar nicht möglich sei. „Da bräuchten wir einen 240 Quadratmeter großen Raum für alle 22 Sängerinnen“, rechnet sie vor. Bleibt noch das Konzert selbst, das auf der Bühne und im Zuschauerraum organisiert werden müsste, wo meist ältere Menschen sitzen, die wie die Sängerinnen der Risikogruppe angehören und es derzeit wohl weniger nach Abstandslosigkeit drängt.
Für Bönschen-Müller und ihre Kollegen, die von ihren musikalischen Aktivitäten mit den ehrenamtlich aktiven Chören leben, kommen wachsende finanzielle Sorgen hinzu. Nach der einmaligen Soforthilfe von 2000 Euro schaue sie sowohl beim 9000-Euro-Bundeszuschuss in die Röhre, weil er für nicht vorhandene Betriebskosten gedacht sei, als auch bei einer neuen 3000 Euro schweren Hilfe vom Land, die an die des Bundes gekoppelt sei.
„Jetzt geht es an die Rücklagen“, erklärt die Musikerin, der neben den Konzerten als Chorleiterin auch diejenigen weggebrochen sind, die sie als Klavierbegleitung bestreitet. Umso mehr weiß sie zu schätzen, dass ihre Chöre sie finanziell unterstützen. „Mit Herz“, betont Philippeit. Und wünscht sich eine Institution, die die Chöre bezuschusst.
Nun singt jede für sich, im Auto oder beim Spaziergang. Die beiden Frauen halten sich fit, mit Sport und Atemübungen, um das Lungenvolumen zu erhalten, erklärt die 79-jährige Chor-Vorsitzende. Die wöchentlichen (Proben-)Treffen, mittwochs im Restaurant Pier 46, früher Dorrenberger Hof, in Katernberg wurden vor kurzem und unter den erschwerten Bedingungen des Abstandhaltens wieder aufgenommen: Nicht um zu singen, sondern um sich auszutauschen, „der persönliche Kontakt zu den Sangesschwestern“ fehle doch sehr. Derweil wächst die Sorge, dass der Chor selbst in Gefahr gerät. „Das ist schon eine bittere Zeit“, meint Philippeit und hofft zugleich, „durch die Gemeinschaft auch jüngere Sängerinnen gewinnen zu können“.