Kultur Poetry Slam: Jann Wattjes ist Stadtmeister

Der Wettbewerb in der Börse war eine Wundertüte mit unplanbarem Inhalt.

Jann Wattjes hat die Wuppertaler Stadtmeisterschaft im Poetry Slam gewonnen.

Foto: Fries, Stefan (fri)

„Einige stehen hier seit Tagen. Andere stehen in Flammen.“ Ein Satz aus der Stadtmeisterschaft im Poetry Slam aus der Feder des späteren Siegers: Jann Wattjes erhielt in der Börse die meisten Stimmen und darf Wuppertal beim NRW-Slam – wegen Corona online – vertreten. Seine schräge Liebesgeschichte vom Kasseler Hauptbahnhof verpackte unauffällig auch manch Sprachspielerisches.

Wie für den modernen Dichterwettstreit üblich, war auch die Best-of-Ausgabe an der Wolkenburg wieder eine Wundertüte mit unplanbarem Inhalt. Antreten konnte, wer übers Jahr einen der Monatsslams gewonnen hatte, mit eigenen Werken nach Wahl. Lyrik war diesmal wenig dabei, überhaupt kaum formal Gewähltes. Dem Spaß der 100 erlaubten Zuschauer tat das keinen Abbruch, ebenso wenig wie der Themenvielfalt, die von Politikertypen über Mutterliebe bis zu fatalem Hamstern reichte.

Dass das Coronavirus hier und da Thema wurde, war zu erwarten. Nicht zuletzt wurzelte hier auch ein Fauxpas der ansonsten gewohnt charmanten Moderatoren Wilko Gerber und Ralph Michael Beyer: Abzustimmen war heute ganz per Applaus, statt wie sonst Zählchips in Boxen zu werfen. Den pandemischen Umständen trug das Börsen-Team an den getrennten Ein- und Ausgängen so unaufdringlich wie sorgsam Rechnung.

Mit frechen Reimen zu einem Banküberfall wusste Poetin Eva-Lisa der Krise Komik zu entlocken - Druckmittel statt gezückter Waffe: Husten. Poet Malte Küppers erklärte, sein Ziel sei, dass nach seinem Beitrag der Kanal gesperrt werde - da jugendgefährdend. Mit klamaukiger Turtles-Kappe erzählte er in breitem Rheinisch von einem liebestollen Kerl, der nach allerlei Schweinkram schließt. Einnehmend trat der sehnige Tobias Beitzel vors Publikum mit einem Plädoyer für Pressefreiheit: „Ob bei Nazis, Kommunisten, ob bei ‚Bürger‘ oder King / Ist es öfter schon passiert, dass man als Schreiberling mal - hing.“ Anrührend daneben Sonja van der Veen zum Zweifel daran, eine gute Mutter zu sein - am Ende die Zusicherung: „Dass du jeden Tag geliebt wurdest und werden wirst.“ Feine Kluft bei klarer Kante: Nach diesem Motto warf Kabarettist René Sydow seinen Hut in den Ring. In der Gestik ein wenig Oliver Welke, vom sprühenden Geist aber ein gutes Stück Roger Willemsen, präsentierte er eine Reflexion über moderne Übervorsicht. Micha-El Goehre trat an mit dem Bekenntnis: „Ich hasse Musicals.“ Den Weg der Musik hin zu „Starlight Express“ und Co beschrieb er witzig als hoffnungslosen Niedergang. Auch Julian Spiegelhauers Beitrag entsprach nicht unbedingt dem ersten Eindruck. In kurzer Hose vom Anschein eher locker bis robust, erwies sich sein Text als zartes Bekenntnis zu Gemeinschaft und Zusammensein. Die erwähnte Abrechnung mit Politikern legte in Runde zwei dann Tobias vor, kam so ins Finale, drang dort mit einem Text über Vereine auf dem Land aber nicht durch. Jann übertrumpfte ihn deutlich mit mehr als 70 von 100 Stimmen.