Gastspiel: Ein Musiker steht Rede und Antwort

Als „Solist in der Schule“ besucht Cellist Julian Steckel das Dörpfeld-Gymnasium. Und er hatte den Schülern viel zu erzählen.

Wuppertal. Bühne frei, Applaus! Das, genau das, war Julian Steckels Berufswunsch, als er fünf Jahre alt war. Damals sah er, wie das Publikum seinen Vater als Chorleiter während eines Konzertes mit euphorischem Applaus bejubelte. "Ich war stolz auf ihn”, erinnert er sich. Das wollte er auch. Und: Er hat es geschafft. Der heute 27-Jährige ist ein Talent am Violoncello.

Paris, Berlin, Zürich - die Städte, in denen Steckel als Solist aufgetreten ist, lesen sich wie ein Reiseführer für eine Weltreise. Als "Solist in der Schule” stand er am vergangenen Freitag 14 Schülern des Grundkurses Musik von Lehrerin Dorothea Schenk der Jahrgangsstufe 12 des Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasiums Rede und Antwort. Und das zwei Stunden bevor er wieder in die Bahn Richtung Berlin einsteigen sollte.

Dort, in der Hauptstadt wird er in wenigen Wochen seinen Job als Solo-Cellist beim Berliner Rundfunkorchester antreten. Damit nicht genug: Zusätzlich studiert er an der Hochschule für Musik Hanns Eisler bei Antje Weithaas.

Zurück nach Wuppertal kam er aber schnell. Denn Sonntag und Montag spielte der Solist mit dem Wuppertaler Sinfonieorchester unter der Leitung von Gastdirigent Yuri Simonov ("ein kauziger Gentleman”), dem Chef der Moskauer Philharmoniker, Stücke des russischen Komponisten Dmitri Schostakowitsch. Und in einer der Sitzreihen saß auch der Musikkurs.

Derweil suchen die Gymnasiasten im Klassenzimmer vergeblich nach Star-Allüren. Der Solist und die jungen Leute liegen auf einer Wellenlänge. Dennoch sind ihre Lebensentwürfe nicht miteinander vergleichbar. Bedenkt man, dass Steckel mit 17 Jahren - so alt sind die Schüler im Schnitt, die ihm gegenüber sitzen - auf den großen Bühnen Europas musizierte und täglich vier Stunden auf seinem Instrument übte.

Und so gibt er vor den Schülern eine Kostprobe seines musikalischen Könnens. Die Finger der linken Hand gleiten gekonnt über die Saiten des Instruments. Mit der Rechten schwingt er den Bogen. Leicht lehnt er mit geradem Rücken gegen die Lehne des Stuhls. Den Kopf wiegt er zur Melodie hin und her. Die Augen schließt er - die Noten liest er nicht ab. Er spielt das Stück des Komponisten Schostakowitsch auswendig. Denn "die Finger haben ein Gedächtnis für die Melodie” lässt er die Schüler später wissen.

Von dieser Fingerfertigkeit des Profi-Cellisten schwärmt Otto Hucke (17), Schüler und leidenschaftlicher Pianist. Valentin Evang (17), der Schlagzeug spielt, beeindruckt der "lockere Umgang”. Der 17-Jährige ist überzeugt: "Er ist wie du und ich.”

Überhaupt gibt Steckel im Gespräch mit dem musikalischen Nachwuchs auch Privates und die Geschichte, wie er zur Musik gekommen ist, preis. Ein aufgewecktes Kind habe man ihn genannt. Und in der Tat: Für ihn war das Lernen eines Instruments ("eigentlich war es Zufall, dass ich mir das Violoncello ausgesucht habe”) neben Fußball eine Therapie, sagt er. Spielte er sein Violoncello saß er still, kam innerlich zur Ruhe und fand zu sich selbst.

Elf Jahre lang ging er jeden Freitag mit Freude zum Musikunterricht. "Mein phantastischer Lehrer war ein Glücksgriff", sagt er. Vielleicht ist es diese gute Lehrer-Schüler-Beziehung, die ihn weiter antrieb, auch noch als Teenager. Als für seine Freunde Parties, Sport und die erste große Liebe das Leben bestimmten, blieb er dem Cello treu.

Ob er jungen Leute heute rät, die "brotlose Kunst” zum Beruf zu machen? "Das ist sehr, sehr sehr schwierig”, gibt er zu. "Aber, wer die Disziplin hat und mit dem Konkurrenzkampf umgehen kann, schafft es.” Eines gibt er jedoch zu bedenken: "Jeder Profi bleibt sein Leben lang Geisel seines Instruments.”