Heiteres Wiedersehen im Tanztheater
Das Ensemble hat „Two Cigarettes in the Dark“ neu einstudiert. Das Publikum war am Donnerstag begeistert.
Wuppertal. Vieles hat sich verändert, seitdem „Two Cigarettes in the Dark“ zuletzt in Wuppertal zu sehen war. Wer hätte vor 15 Jahren schon gedacht, dass einmal ein Rauchverbot Glimmstängel auf breiter Flur bedrohen könnte und Raucherclubs zum umstrittenen Zufluchtsort bekennender Tabakkonsumenten werden könnten?
Nun muss man kein Raucher sein, um zu genießen, was das Wuppertaler Tanztheater neu einstudiert hat und bis Sonntag im Opernhaus präsentiert. Auch Nichtraucher kennen das Gefühl, Teil einer Gruppe, tief im Innern jedoch einsam zu sein — das schmerzt, selbst wenn man ein dickes Fell oder gar einen Pelz hat, wie ihn die Tänzerinnen in Barmen stolz zu Markte tragen.
Edle Abendroben mögen für die Mitglieder einer feinen Partygesellschaft genauso wichtig sein wie für manch Liebenden die Zigarette danach. Entscheidend ist jedoch anderes: Springt der Funke nachhaltig über, oder ist es nur ein kurzes Strohfeuer, das zwischen zwei Menschen entflammt?
Natürlich: Wer das Wuppertaler Tanztheater besucht, rechnet mit einem Geschlechterkampf. Auch in „Two Cigarettes in the Dark“ finden sich treffend-witzige Bilder für das immerwährende Spiel von An- und Abstoßung: Eddie Martinez und Aida Vainieri teilen sich einen Stuhl gerade so, als erlebten sie einen Liebesakt — bezeichnenderweise mit den Köpfen voneinander abgewandt. Jeder stöhnt für sich und doch erleben sie ihr Gehechel gemeinsam.
15 Jahre lang war das Pina-Bausch-Stück nicht mehr in Wuppertal zu sehen. Nun wird also wieder geraucht — mal in bester Dandy-Manier, wenn das Sektglas nicht weit ist, mal mit spielerischer Melancholie, wenn der Mund gezielt Rauchschwaden formt, mal aber auch mit einem Hauch Niedergeschlagenheit, wenn der Kopf leicht gebeugt ist und lange Haare verbergen sollen, dass das Gesicht der Spiegel der Seele ist.
Dabei ist der Titel eine glatte Lüge: Es sind deutlich mehr als zwei Zigaretten, die im Laufe des zweieinhalbstündigen Abends die Runde machen — und dies auch nicht im Dunkeln. Hell ist die weiße Bühne, auf der Mechthild Großmann immer wieder zielstrebig von ganz hinten nach ganz vorne geht, um ihr schwarzes Kleid zu lüften, ihren roten Schlüpfer zu zeigen oder schelmisch die Zuschauer zu grüßen: „Kommen Sie ruhig rein, mein Mann ist im Krieg.“
Nein, friedlich geht es im Opernhaus nicht zu, denn Großmann verhält sich so, wie sie schon bei der Uraufführung vor 26 Jahren auftrat: Sie erschießt ohne Vorwarnung ein Liebespaar, erzählt Zoten und weist zweideutig — mit rauer Stimme — einen Mann (Michael Strecker) zurecht, der ihr buchstäblich hinterherläuft: „Das ist mir ja schon lange nicht mehr passiert . . .“
„Two Cigarettes in the Dark“ ist eines der ruhigeren Stücke des Wuppertaler Tanztheaters. Es geht um Einsamkeit und Gefühlskälte, um Schweigen und Schmerz. Bevor die Spannung an einzelnen Stellen ins fast Unerträgliche gesteigert wird, wird sie jedoch von heiteren Momenten unterbrochen, in denen sich Poesie und Zärtlichkeit entfalten.
Besonders bezaubernd sind jene Szenen, in denen Julie Shanahan im wahrsten Wortsinn beflügelt wird. Während wechselnde Männerarme hinter ihrem Rücken zwei schwingende Flügel formen, wirkt sie wie eine zarte Elfe, die kurz davor steht, schmetterlingsgleich abzuheben.
Aida Vainieri möchte in der Tat den Boden unter den Füßen verlieren. Sie sitzt auf einem schwarzen Pelz, den sie in einen fliegenden Teppich verwandeln möchte. Da hilft allerdings auch kein Hokuspokus: Der Teppich will nicht so, wie die Tänzerin möchte. Auch Ruth Amarante versucht, mit wenig Aufwand weiterzukommen, löst das Problem aber erfolgreicher: Sie lässt sich von Männerhänden tragen und schwimmt wie ein Fisch durch die Luft.
Scheitern und Triumph, Zerstörung und Neubeginn liegen nah beieinander, und so setzt das Ensemble auf bittersüße Kontraste: Michael Strecker holt weit aus und greift zur Axt — nur um eine Orange zu teilen und den feinen Feiernden anschließend frisch gepressten Saft zu servieren. Auch das Finale spricht für sich: Während die erlesene Gesellschaft heiter tanzt, legt Großmann — in Arbeiter-Pose und mit Zigarette im Mund — Kohlestücke auf einen Haufen. Vier der elf Tänzer, darunter Großmann, waren bereits bei der Uraufführung dabei. Vieles hat sich seitdem geändert — in der Besetzung wie im wahren Leben.
Doch Entscheidendes ist geblieben: „Two Cigarettes in the Dark“ bezaubert vor allem durch das mehrdeutige Augenzwinkern, mit dem das Ensemble immer wieder das Publikum beglückt. Es spiegelt die Leichtigkeit des Seins, ohne die Schattenseiten des Lebens zu vergessen. Der Funke zwischen Tänzern und Zuschauern sprang am Donnerstagabend jedenfalls über — mehr als ein Mal gab es Szenenapplaus. Am Ende folgten zahlreiche Bravo-Rufe und stehende Ovationen für einen heiter-beschwingten, aber doch nachdenklich stimmenden Abend, den der ein oder andere sicherlich mit einer Zigarette stilgerecht ausklingen ließ.