Interview Historisches Zentrum soll modernes Museum werden

Interview Direktor Lars Bluma nahm seine Arbeit im Mai 2018 auf. Nach etwas mehr als einem Jahr ist er angekommen. Dem Engelsjahr 2020 gilt vom ersten Tag an seine Hauptaufmerksamkeit.

Lars Bluma in seinem Büro - an der Wand hinter ihm hängen (natürlich) Bilder von Friedrich Engels (l) und Karl Marx.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Er habe seinen Traumjob gefunden, sagt Lars Bluma, der ein gutes Jahr Leiter des Historischen Zentrums ist. Das ist zwar seit Monaten eine Baustelle und macht gerade in diesen Tagen nicht die beste Figur. Der Technik-, Wissenschafts- und Bergbauhistoriker steckt den „Nackenschlag“ der explodierenden Baukosten jedoch weg und ist optimistisch, dass eine Lösung gefunden wird. Im Gespräch mit der Westdeutschen Zeitung erzählt er, wie sein erstes Jahr verlief, wie er sich in Wuppertal eingelebt hat und warum das Besucherzentrum für das Historische Zentrum existentiell ist.

Bevor Sie nach Wuppertal kamen, waren Sie im Deutschen Bergbau-Museum in Bochum. Wo ist es schöner?

Lars Bluma: Hier im Historischen Zentrum, weil ich als Direktor mehr Gestaltungsmöglichkeiten habe. In Bochum war ich Forschungsbereichsleiter mit bis zu 12 Mitarbeitern, je nach Projekt. In Wuppertal habe ich 25 Mitarbeiter, betreue einen viel größeren und vielfältigeren Bereich. Allerdings hatte ich in Bochum kaum finanzielle Sorgen, weil das Bergbau-Museum mehrere Träger hat.

Konnten Sie ihre Erfahrungen aus Bochum anbringen?

Bluma: Ja. Vom ersten Tag an, da wir dort eine ähnliche Situation hatten. Auch im Bergbau-Museum befanden wir uns in einem Transforamtionsprozess mit neuer Dauerausstellung, geschlossenem Haus, neuem Direktor und Mitarbeitern, die in diesem schwierigen Umbruch mitzunehmen waren.

Wie lief die Eingewöhnungsphase?

Bluma: Ich wurde sehr positiv aufgenommen und habe eine große Offenheit bei den Wuppertaler Bürgern und bei meinem neuen Team erlebt. Mir ist vor allem aufgefallen, wie sehr sich die Bürger für ihre Stadt engagieren. Die Menschen im Bergischen Land sind schon anders als im Ruhrgebiet. Wirklich Zeit zum Eingewöhnen hatte ich nicht. Ich kam ja mitten in den Umbauprozess des Historischen Zentrums hinein. Es ging sofort los, mit Entscheidungen zur neuen Dauerausstellung und zum Engelsjahr 2020. Mittlerweile habe ich mich an die städtischen Strukturen mit ihren Rahmenbedingungen und Entscheidungswegen gewöhnt. Nach einem Jahr bin ich so langsam drin, würde aber nicht behaupten, schon jedes Industriemuseum im Bergischen Land zu kennen.

Welche Arbeitsschwerpunkte hatten Sie?

Bluma: Die neue Dauerausstellung und alles, was damit zu tun hat; das neue Besucherzentrum, das ein zentraler Baustein für die langfristige Weiterentwicklung des Historischen Zentrums ist; die Aktivitäten des Engelsjahres – die Sonderausstellung 2020 ist dabei der wichtigste Teil. Mit nur einer Volontärin zusätzlich halten wir den normalen Betrieb mit der Ausstellung im Kontor 91, dem Engelspavillon und unserem museumspädagogischen Programm weiterhin aufrecht. Das alles funktioniert nur mit engagierten Mitarbeitern, bei denen ich mich auf diesem Weg herzlich bedanken möchte.

Darüber hinaus gehende Pläne?

Bluma: Die Ausstellung im Kontor 91 als Dependance in der Barmer Innenstadt ist eine Art Versuchsballon. Ein Glücksfall wäre, wenn sie verstetigt werden könnte. Ein Traum wäre, wenn wir auch die Geschichte Wuppertals nach 1929, etwa in Kombination mit dem Stadtarchiv, zeigen könnten. Außerdem wollen wir ein neues Leitbild entwickeln: Was soll das Historische Zenrum im Jahr 2025 sein? Bei der Aufarbeitung der Industriekultur könnte es eine Vorreiterrolle im Bergischen Land übernehmen, Mein regionales Engagement zeigt sich auch darin, dass ich zum Vorsitzenden des Netzwerks Bergische Industriekultur gewählt worden bin. Und natürlich liegt mir die Personalentwicklung in meinem Haus sehr am Herzen.

Wo gab/gibt es Probleme?

Bluma: Der Kalkofentrichter ist ein Sorgenkind: Er ist baufällig und für Besucher geschlossen. Wir müssen mit dem Bürgerverein Sonnborn-Zoo-Varresbeck ein neues Nutzungskonzept erarbeiten und Fördergelder für die Restaurierung in nicht unerheblicher Menge auftreiben. Außerdem platzt das Stadtarchiv aus allen Nähten und muss umziehen.

Was wird aus dem Besucherzentrum?

Bluma: Das Besucherzentrum ist ein wichtiger Baustein für die langfristige Weiterentwicklung des Museums für Frühindustrialisierung und des Engels-Hauses. Dadurch, dass beide Gebäudeteile miteinander verbunden werden, entsteht endlich eine bauliche Situation, die den modernen Anforderungen eines Museums gerecht werden. Die Ansprüche der Besucher haben sich in den letzten Jahren sehr gewandelt. Es wird ein modernes Entrée mit Kasse und Garderobe erwartet, kein Besucher möchte heute bei Wind und Wetter ein Gebäude verlassen, um in den anderen Museumsteil zu gelangen. Ich bin sehr froh, dass Politik und Stadtspitze dieses Projekt zusammen mit meinem Vorgänger, Herr Dr. Illner, erfolgreich angeschoben haben. Was die Kostensteigerung für die Bautätigkeiten angeht, sind alle Akteure bemüht, eine Lösung zu finden. Ich bin da sehr positiv gestimmt.

Und das Engels-Haus?

Bluma: Wir liegen bei allen Tätigkeiten im grünen Bereich. Es wird viel schöner als vorher. Es gibt wohl kein denkmalgeschütztes Haus in NRW, das besser erforscht ist. Es wird die Sonderausstellung, die wir zum Engelsjahr für die Kunsthalle in Barmen konzipieren, außerdem die bürgerliche Wohnkultur um 1800 im restaurierten Tapeten- und Musikzimmer erlebbar machen und im zweiten und dritten Stockwerk die Verwaltung des Historischen Zentrums aufnehmen.

Was wird in der Sonderausstellung gezeigt?

Bluma: Unter dem Titel „Friedrich Engels – ein Gespenst geht um in Europa“ stellen wir vom 28. März bis 20. September 2020 in der Kunsthalle Barmen die wichtigsten Lebensstationen von Engels dar. In jedem der fünf Räume werden Ort, Leben und Werk zu einer bestimmten Zeit vorgestellt. Von der von Engels beengt wahrgenommenen Jugend in Barmen bis zu seiner Londoner Zeit, als er das Werk von Marx systematisierte. Wir arbeiten viel mit Fotos, dem Medium, das im 19. Jahrhundert seinen Durchbruch erlebte. Unser Konzept ist modern, vielleicht auch stilbildend für Wuppertal. Mit Space4 haben wir ein renommiertes Gestalterbüro gefunden, das mit uns neue Wege im Ausstellungsdesign geht. Da die Sonderschau modularisierbar ist, können wir sie auf das Engels-Haus anpassen. Dafür haben wir dann zwei Monate Zeit.

Ihre Erwartungen?

Bluma: Ich bin fest davon überzeugt, dass wir im Engels-Jahr den Wuppertaler Bürgern und den Touristen ein spannendes Gesamtprogramm präsentieren können. Wenn man sich einmal anschaut, unter welchen Voraussetzungen die Planungen starteten und was das Kuratorenteam in zwischen auf die Beine gestellt hat, kann ich nur sagen: Chapeau! Die Engels-Sonderausstellung wird ein besonderes Highlight sein.

Wohnen Sie mittlerweile in Wuppertal?

Bluma: Obwohl ich mich in Wuppertal sehr wohl fühle, wohne ich noch in Essen. Jahrelang ist meine Frau gependelt, jetzt bin ich dran. Aber: Sag niemals nie!