Inszenierung von Julia Wolff Humorvolles Krisenstück in Wuppertal: Ein Paar „im Ausnahmezustand“

Wuppertal · In Wuppertal ist das Stück „Im Ausnahmezustand“ zu sehen. Im Mittelpunkt steht die Frage: Kann ein Tanz einen Streit beenden?

Beate Rüter und Thorsten Strauch  sind die Hauptdarsteller des Stücks.

Foto: Anna Schwartz

Kann ein Tanz den Streit beenden? Darauf hofft das namenlose Ehepaar in Falk Richters „Im Ausnahmezustand“. Tango-Musik schallt über die Bühne des Café Ada und übertönt sein Beziehungsgespräch. Für einen Moment liegen sich die Darsteller Beate Rüter und Thorsten Strauch in den Armen. Ihre Bewegungen sind fließend, harmonisch – ihr Tango machte den Premierenbesuchern am Freitag hörbar Spaß.

Das Tanz-Märchen dauert nicht lang, die alte Vertrautheit will sich nicht einstellen. „Das bist nicht du“, hält sie seinem „Alles ist gut“-Mantra entgegen. Sie weiß es besser und holt das Publikum direkt mit ins Boot: „Wir sind hier nicht mehr sicher.“ Von Corona und Ukraine-Krieg konnte Falk Richter nichts wissen, als er „Im Ausnahmezustand“ 2007 erstmals aufführte. Das Stück ist dennoch hoch aktuell: Jede Szene evoziert eine Wirklichkeit, die auf schwankendem Boden steht. Kommt eine Flut oder ist das „Fake News“? Hört die Frau Schüsse und Schreie in der Nacht – oder bildet sie sich das nur ein?

Dabei ist die größte Sorge des Ehepaars nicht aus der Luft gegriffen. Sie leben zwar in einer „Siedlung, in der jeder hinwill“, einer „Gated Community“ der Erfolgreichen und Wohlhabenden. Seit einiger Zeit aber fällt die Arbeitsleistung des Manns ab und bei Arbeitsplatzverlust, warnt seine Frau, drohe der Rauswurf aus der Siedlung. Krisenszenario trifft auf Abstiegsängste – was zum echten Trauerspiel werden könnte, inszeniert Julia Wolff mit Humor und Mut zu harten Kontrasten. Tanz und Gesang haben in der zweiten Regiearbeit der Schauspielerin ebenso Platz wie stumme Zwischenspiele, in denen Signaltöne das Paar auf der Bühne wie den Zuschauer in Alarmbereitschaft versetzen.

Wie schon bei Wolffs Debüt ist Hauptdarstellerin Beate Rüter großartig. Von Szene zu Szene entfaltet sie das Psychogramm einer Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs. Aus dem witzigen Geplänkel mit Bühnenpartner Strauch entwickelt sich ein Verhör mit ihr als Ermittlerin in eigener Sache. Verlässt Rüter der inquisitorische Furor, sinkt ihr Körper in sich zusammen. Und spätestens wenn sie ihre blaue Perücke – Ausstatter Anke und Dirk Schmidt wählen nachtblaue Kostüme – abnimmt, wirkt sie so verloren und verletzlich wie ein einsames Kind.

Beamtenbrille und zurückgekämmte Haare – Strauchs Figur zieht ihre Stärke daraus, dass man sie unterschätzt. Er verschanzt sich als Ehemann geschickt hinter Worten. Weshalb sich irgendwann die Frage stellt, ob da jemand kurz vor dem Burnout steht oder heimlich die Flucht aus der „Community“ plant. In der Rolle des Sohns lässt Nico Hartwig den Emotionen scheinbar freien Lauf. Er verachtet den passiven Vater und liebt verzweifelt die Mutter. Oder verbirgt er dahinter   eine Reihe von Sabotageakten gegen die Eltern? Als Security-Frau verkörpert Bühnenbildnerin Anke Schmidt das Überwachungssystem innerhalb der Siedlung –   eine extra für Wolffs Inszenierung erfundene Figur.

„Im Ausnahmezustand“ ist wieder am 17. und 18. März im Café Ada zu sehen. Tickets: online beim Kooperationspartner „Die Insel“.

(red)