Klassik Junges Orchester lässt mit homogenen Tönen aufhorchen
Wuppertal · Nachwuchsmusiker aus Nordrhein-Westfalen spielten in der Historischen Stadthalle groß auf.
Der russische Komponist Dmitri Schostakowitsch hatte es in seinem Leben nicht leicht, immer wieder Angst vor Nachstellungen während der Stalin-Ära in der damaligen Sowjetunion. Denn er stand dem Regime sehr kritisch gegenüber. Wie kaum ein zweiter verstand er es, seine Ablehnung derart geschickt in Noten zu verpacken, dass davon die Zensur oft nichts mitbekam. Auch sein 1. Violinkonzert in a-Moll birgt einiges an Auseinandersetzung mit der Diktatur. Dieses Opus 77 stand im Zentrum des umjubelten Konzerts des jungen Orchesters NRW im gut besuchten Großen Saal der Stadthalle.
In diesem vielschichtigen Werk kommen einige deutliche Anzeichen für Schostakowitschs Haltung vor. Das Hauptthema des Scherzos etwa, aus dem Prolog von Modest Mussorgskis Oper „Boris Godunow“ abgeleitet, ist durchaus als Stalin-Thema zu verstehen. Eine Variante des Gewalt-Themas, wie er es in seiner Oper „Lady Macbeth“ verwendet, ist das zweite Thema. Oder seine Leidenschaft für jüdische Volksmusik wird zitiert. Sie widerspricht der antizionistischen Kampagne der Regierung von 1948, in dem er das Werk vollendete. Auch seine Seelenzustände verarbeitete er darin.
Man hörte es an der Art der reifen Töne, die Katharina Kang ihrem Instrument entlockte: Die junge Nachwuchsgeigerin hat den Gehalt tief ausgelotet und verinnerlicht. Neben ihrer in allen Belangen grandiosen Virtuosität waren es gerade ihre hochmusikalischen Spannungsbögen, mit denen sie die stürmischen, dämonischen, gebieterischen, einsamen, grotesken, schicksalhaften, aufgesetzt fröhlich-verhängnisvollen Geschehnisse ungemein packend gestaltete. Dabei gingen Herz und Verstand eine vortreffliche Symbiose ein.
Zum Abschluss
gibt es lauten Jubel
Ein Geburtstagsständchen für Rosa Fain, bei der Kang an der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf in die Lehre ging, bildete die Zugabe. Schöner hätte ein Liebesgruß an ihre laut Kang „russische Mutter“ wohl kaum klingen können, so herzergreifend spielte sie mit Matthias Müller am Harmonium Edward Elgars „Salut d’Amour“.
Eingerahmt wurde der Höhepunkt des Abends von zwei Vertonungen des Gedichts „Manfred“ von Lord Byron: Robert Schumanns Ouvertüre zu seiner gleichnamigen Musik in drei Abteilungen op. 115 inklusive die Schluss-Szene „Klostergesang“ als Zugabe und die Manfred-Symphonie von Pjotr Tschaikowski. Dabei präsentierte sich das junge Orchester wie gewohnt als ein homogener und differenziert aufspielender Klangkörper. Unter der umsichtigen und präzisen Leitung von Ingo Ernst Reihl interagierte es nicht nur beim Violinkonzert erstklassig mit der Solistin, sondern führte außerdem diese Manfred-Versionen mit festem Zugriff sehr mitreißend auf.
Pfeifen, Rufen, Standing Ovations waren der berechtigte Dank für diesen gehaltvollen Abend.