Kirche St. Joseph in Ronsdorf Diese Orgel liebt man auf den zweiten Blick

Wuppertal · In der Kirche St. Joseph in Ronsdorf hängt die „Königin der Instrumente“ kaum wahrnehmbar an der Seitenwand.

Kantor Markus Brandt in der katholischen Kirche St. Joseph in Ronsdorf.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Die Orgel gilt als „Königin der Instrumente“ und sie hat in den meisten Kirchen einen gut sichtbaren Platz. In der katholischen Kirche St. Joseph in Ronsdorf hängt sie jedoch kaum wahrnehmbar hoch oben an einer Seitenwand. Das ist wahrscheinlich im zweiten Vatikanischen Konzil begründet, das ein epochales Ereignis in der katholischen Kirche war und Neuerungen von erheblichem Ausmaß brachte. Von Oktober 1962 bis Dezember 1965 waren Bischöfe aus der gesamten Welt in Rom zusammengekommen, um die Leitlinien der katholischen Kirche neu zu bestimmen. Es folgte eine Zeit des Aufbruchs, der Veränderung, aber auch der Verunsicherung.

Eine neue Architektengeneration war bestrebt, den grundlegenden Wandel baulich sichtbar zu machen. Der bekannte Architekt Arthur Hoffmann gehörte dieser Generation an. Er gestaltete in den 1960er und 70er Jahren die katholische Kirchenlandschaft in Wuppertal stark mit. Die klare moderne Architektur stand im Vordergrund. In manchen Kirchen dieser Zeit meinte man sogar auf eine Orgel verzichten zu können, obwohl es im zweiten Vatikanum hieß: „Die Pfeifenorgel soll in der lateinischen Kirche als Musikinstrument in hohen Ehren gehalten werden, denn ihr Klang vermag den Glanz der kirchlichen Zeremonien wunderbar zu steigern und die Herzen mächtig zu Gott und zum Himmel emporzuheben.“

In der Gemeinde St. Joseph entschied man sich, eine hochwertige Orgel anzuschaffen. Das 1970 von der renommierten Orgelbauwerkstatt Romanus Seifert in Kevelaer erbaute Instrument steht dennoch am Rand und im Schatten. Der Spieltisch des Organisten, elektrisch mit der Orgel verbunden, wurde auf die tiefergelegene Chorempore gesetzt, so dass Organist und Chor unter einer dicken Betondecke den Klang der Orgel kaum hören konnten. Das dauerte 50 Jahre an, dann nutzte Kantor Markus Brandt die Lockdown-Zeit und versetzte den Spieltisch in den Kirchenraum. Kirchenmusiker Brandt und Hausmeister Konrad verlegten eigenhändig 30 Meter Elektrokabel unter der Kellerdecke und eine IT-Firma verlegte die notwendigen Datenleitungen.

Nun sitzt der Organist im Raum, kann die Gemeinde sehen und wird von ihr gesehen, wenn er sie musikalisch begleitet. „Endlich kann ich selbst den Klang der Orgel hören und mich mehr als Teil der Gemeinschaft fühlen“, sagt Brandt, der 1999 seine erste Kantorenstelle hier antrat. „Ich kam an einem schrecklich trüben Novembertag in die Kirche, aber an dieser jungen, gut gepflegten Orgel fühlte ich mich sofort wohl“, erinnert er sich.

2002 erhielt die Orgel eine moderne Setzeranlage, auf der über 3000 Kombinationen „vorprogrammiert“ werden können. Etliche Klangerweiterungen wurden vorgenommen. Der Spieltisch wurde komplett umgebaut und mit Registerwippen modernisiert, blieb aber weiterhin unter dem Betondeckel stehen. 2018 stand die komplette Reinigung der 1600 Pfeifen an. Alle Arbeiten übernahm die Firma Seifert.

2020 wurde ein neues Register eingebaut: Eine Vox coelestis, die in England gebraucht gekauft werden konnte. Mit ihr lässt sich eine Schwebung und dadurch die ätherische Klangwirkung einer „Himmelsstimme“ erreichen. Aktuell wurde der Spieltisch technisch überarbeitet und mit seiner Verlegung in den Kirchenraum wurde eine höhenverstellbare Orgelbank angeschafft.

Auch heute noch spielt Markus Brandt mit großer Begeisterung auf dieser Orgel, deren warmer Klang in der Akustik der Hallenkirche gut zur Geltung kommt. Von größter Klangfülle bis zum leisesten Piano ist bei dieser Orgel alles klar und differenziert zu hören. „Vor allem Barockmusik und Klassik lassen sich gut spielen“, sagt der Organist. Will er besonders große Freude zum Ausdruck bringen, setzt er die nach vorn weit aus dem Orgelprospekt herausragenden Spanischen Trompeten ein. Wenn diese gestimmt werden, muss dafür eigens ein Gerüst aufgestellt werden.

Eine fast 20-jährige Tradition hat die „Orgelmusik zur Marktzeit“ in St. Joseph. Als erster Gast nach dem Umbau spielte jetzt im Oktober der Kirchenmusiker Achim Maertins aus Vohwinkel auf der Seifert-Orgel. Auch er ist begeistert: „Für den Organisten ist es jetzt viel angenehmer zu spielen, man hört die Orgel besser. Vorher war man sehr abgeschottet.“ Das Konzert am Samstagvormittag war gut besucht und Maertins erfreute die Zuhörer mit einem Italienischen Programm. „Von kammermusikalisch bis klassisch ließ sich an der klanglich verbesserten Orgel alles sehr gut spielen“, so Maertins. „Auch die Spanischen Trompeten konnte ich einsetzen, soweit ich weiß, sind dies die einzigen in Wuppertal.“