Komödie auf der Suche nach sich selbst
Aber „Lügen für Fortgeschrittene“ bietet gutes Spiel.
Oma Henriette ist eine Nervensäge - und das ist noch untertrieben. Gleich in den ersten Minuten von „Lügen für Fortgeschrittene“ tyrannisiert sie lustvoll Sohn Heinz und dessen Ehefrau Hilde. Plötzlich ist es auf der Bühne der Komödie Wuppertal zappenduster. Ein klassischer Haushaltsunfall. Oma hat einen Stromschlag bekommen und ist nicht mehr. Heinz und Hilde sind starr vor Schreck. Allerdings nicht so sehr wegen des Unglücksfalls, sondern weil das Ehepaar bisher ganz gut von Henriettes Rente und Pflegegeld gelebt hat. Also beschließen beide, Omas Tod zu verheimlichen. Da hilft nur eins: lügen, lügen und nochmals lügen. Wäre da nur nicht der Spürsinn von Frau Spatz, ihrer in die Jahre gekommenen Nachbarin.
Cordula Polster, Autorin und Regisseurin in einer Person, hat ihre Komödie gut unterfüttert. Heinz und Hilde betrügen nicht aus Boshaftigkeit. Er ist arbeitslos, über 50 und hat kaum noch Chancen, einen Job zu bekommen. Sie schmeißt den Haushalt und muss zusätzlich arbeiten gehen. Umso abstruser ist die Handlung, die sich aus dem Plan ergibt, die Sozialleistungen einer Toten zu kassieren. Natürlich ist das Lügengeflecht, in dem sich das Ehepaar verstrickt, immer wieder einen Lacher wert. Aber das Stück mag sich nicht entscheiden, was es eigentlich sein will. Kriminalkomödie? Tragikomödie? Oder doch reiner Klamauk? Vielleicht weil das Ganze weder Fisch noch Fleisch ist, wird am Ende auch noch ordentlich Harmoniesoße über das Ganze gegossen. „War alles gar nicht so schlimm“, lautet die schlichte Botschaft.
Die vier Schauspieler machen das Beste aus der Vorlage, greifen jeden Gag dankbar auf. Als Heinz ist Momme Mommsen eifrig darum bemüht, die bürgerliche Fassade zu wahren. Seine tapsigen Bewegungen und verbalen Ausflüchte sorgen dafür, dass diese Versuche verlässlich scheitern. Bei Hilde entsteht die Komik aus dem schlechten Gewissen, das Darstellerin Stefanie Stroebele mit Leichenbittermiene vor sich her trägt. Mit dem Hausdrachen Henriette kann sie nicht unter einem Dach leben — egal ob diese lebendig ist oder tot. Richtig schön überdreht spielt Nici Neiss erst die Oma und dann die Hobbydetektivin Spatz. Wenn sie Miss Marple ist, ist Martin Greifs Herr Breuer ihr trotteliger Assistent. Noch besser ist Greif in zwei anderen Rollen. Als Herr Sollmann, der unfreiwillig fürs Happy End sorgt, und als Sohnemann von Heinz und Hilde. Dass sich dieser Spätpubertierende vernünftiger als seine Eltern verhält, ist eine besonders schöne Pointe.
Weitere Vorstellungen von „Lügen für Fortgeschrittene“ in der Komödie Wuppertal, Friedrichstraße 39: 28.10. sowie am 2., 3., 4., 9., 10., 11., 16., 17., 18., 22., 23., 24. und 25.11. (Beginn um 20 Uhr). Außerdem am 29.10. und am 5., 12., 19. und 26.11. (Beginn um 18 Uhr).
Tickets: www.wuppertal-live.de und www.komoedie-wuppertal.de