Kultur Kreativer Aufbruch des Tanztheaters

Erstmals seit dem Tod von Pina Bausch übt die Compagnie mit Gastchoreographen neue Stücke ein.

Foto: Andreas Fischer

Wuppertal. Symbolischer hätte der Ort kaum sein können: Im Foyer des eigentlich geschlossenen Schauspielhauses stellten sich am Mittwoch die ersten Gastchoreographen des Tanztheaters vor — ein Zeichen für die weitreichenden Hoffnungen, die sich an den Bau als mögliches Zentrum Pina Bausch knüpfen.

Auf Zukunft stehen auch die Zeichen in der Compagnie. Sechs Jahre nach dem Tod von Pina Bausch erarbeiten die Tänzer erstmals wieder „Neue Stücke“: „Wir sind an dem Punkt, dass wir zu diesem Schritt bereit sind“, sagte Lutz Förster, der künstlerische Leiter des Tanztheaters. Titel haben die neue Stücke noch nicht — „das ist nicht ungewöhnlich für uns“, so Förster —, Premiere haben sie nächste Woche Freitag im Opernhaus.

Eine externe Jury hatte die Gastchoreographen ausgewählt: Seit gut drei Wochen erarbeiten das argentinisch-französische Duo Cecilia Bengolea und Francois Chaignaud, der Brite Theo Clinkard, der seit drei Jahren eine eigene Compagnie hat, sowie der der britische Regisseur und Schriftsteller Tim Etchells mit jeweils zehn Tänzern ein eigenes Stück. Etchells ist aktuell mit einem Kinder- und Jugendstück für den Theaterpreis „Faust“ nominiert.

Natürlich war es ein Bruch zur früheren Arbeit. „Bei aller Offenheit und Neugier sei bei vielen auch erst mal Trauer dabei gewesen“, sagt die Tänzerin Julie Shanahan, die mit Etchells probt. „Am Anfang der Proben dachte ich: Oh Gott, Pina ist nicht da.“ Aber dann habe sie gemerkt: „Etwas zu verlieren heißt auch, etwas zu gewinnen.“

Etchells hat mit Sprachfragmenten begonnen, jetzt habe sich daraus etwas ganz anderes entwickelt, sagt er. Als Musik wird in seinem Stück unter anderem Bach gespielt.

Extrem körperbetont arbeitet sein Kollege Theo Clinkard: „Wir haben uns in den ersten beiden Wochen unentwegt bewegt“, sagt die Tänzerin Barbara Kaufmann. Der Choreograph habe ein starkes Interesse auszuloten, was mit und zwischen Menschen in Gruppen passiere. Er hat auch die Familien seiner Tänzer befragt, was eine ganz neue Stimmung in der Gruppe geweckt habe. „Es ist total spannend, dass unser künstlerisches Potenzial mit diesem Erbe auf das künstlerische Potenzial der drei Choreographen trifft“, so Kaufmann.

Das Duo Bengolea/Chaignaud muss in Wuppertal umdenken. Von Frankreich ist es gewohnt, dass die Tänzer vorgegebene Bewegungen lediglich reproduzieren, aber nicht eigenständig reflektieren. Sie haben ihre Gruppe zunächst singen lassen — „eine einschüchternde Erfahrung“, sagt Breanna O’Mara, die seit einem Jahr zur Compagnie gehört.

Was genau am kommenden Freitag zu sehen sein wird, kann jetzt noch keiner sagen. Auch auf die Tänzer warten womöglich Überraschungen. Barbara Kaufmann: „Wir wissen nicht, was die anderen Gruppen machen, bis jetzt sind wir noch nicht gucken gegangen.“