Marmor-Skulpturen Der Mann, der den Stein verbiegt
Eckehard Lowisch stellt Marmor-Skulpturen in die alten Nischen am Bahnhofsvorplatz Vohwinkel: Das ergibt eine reizvolle Spannung.
Wuppertal. Michelangelo hat seinen David aus einem einzigen Marmorblock gehauen. Marmor ist nun mal das klassische Material für Skulpturen — gilt im modernen Kunstbetrieb aus unerfindlichen Gründen jedoch seit Jahren als uncool.
Eckehard Lowisch ist das egal: „Marmor kenne ich, Marmor liebe ich, und ich kann ihn immer besser lesen und nutzen.“ Von seiner Beharrlichkeit haben jetzt alle etwas: Der Bildhauer gestaltet auf dem Bahnhofsvorplatz Vohwinkel fünf meterhohe Nischen — durchaus inspiriert von den Arkaden an der Piazza della Signoria in Florenz, wo auch der David steht. Am Mittwoch werden sie offiziell eingeweiht.
Der Künstler musste dafür als erstes gründlich renovieren: Tagelang hat er die Wände der Nischen mit Hochdruckreiniger und Bürste abgeschrubbt. Der Dreck ist weg, aber der Beton immer noch alt und fleckig. Vor dessen Wölbung platziert er nun seine fein geäderten Marmor-Skulpturen, goldene, weiße und rosafarbene Arten des Steins hat er darin verarbeitet.
Lowisch hat eine eigene Technik der Steinbearbeitung entwickelt: Er biegt ihn. Als Ausgangsobjekt nimmt er einen Alltagsgegenstand wie eine Regentonne oder eine zusammengebundene Matratze. Aus großen Marmorplatten schlägt er Teile, die er zu Bändern von 12,5 Zentimeter Breite auf Textilband zusammenklebt. Mit diesen Bändern ummantelt er seine Objekte, so dass ein „ungefährer Abguss entsteht, es ergeben sich aber immer auch Zufälligkeiten und Abstraktionen“, sagt er. „Es ist schön, mal das Material machen zu lassen.“
Und der biegsam gemachte Marmor macht tatsächlich, dass man den Ursprung oft nur noch erahnt. Er fügt der Form Beulen und Dellen hinzu, von denen der Bildhauer vorher nichts geahnt hat. So entstehen neue Dinge, die vielleicht an ein riesiges Kissen erinnern, das aber in Wahrheit aus vier gewölbten Kellerschacht-Abdeckungen entstanden ist. Fein und leicht wirken die ausladenden Formen. Sind sie aber nicht, sondern wiegen schnell 500 Kilo.
Diese Kunstaktion ist nebenbei ein Beispiel dafür, wie in dieser Stadt etwas erstaunlich schnell auf den Weg gebracht werden kann. Lowisch hat die Nischen im vorigen Jahr entdeckt, als die Holzverschläge davor abgerissen wurden. Erst wollte er in einer nächtlichen Guerilla-Aktion einfach einige seiner Skulpturen hineinstellen - weil er davon ausging, dass er ohnehin keine Genehmigung dafür bekommen würde. Das war ihm allerdings doch zu heikel. Stattdessen sprach er einen Bezirksvertreter an — und lief bei der Politik weit offene Türen ein. In erstaunlich kurzer Zeit bekam er die Genehmigungen der Stadt und der Bahn.
Verdient hat Eckehard Lowisch mit der ganzen Aktion allerdings nichts. Die Jackstädt-Stiftung hat die großflächigen Betonsockel in den Nischen bezahlt, dank privater Spenden kann er die Kosten für das Material und die Umsetzung aufbringen. Doch ein Honorar für die Skulpturen ist bislang nicht vorgesehen, er stellt sie bis 2017 als Dauerleihgabe auf. Deshalb hätte er gar nichts dagegen, wenn seine Werke kauffreudige Paten fänden: „Nach zwei Jahren können sie es dann mitnehmen.“