„Manege frei“ für klassische Musik

Familienkonzert lädt in den Zirkus. Sinfoniker und Kinder spielen auf einer Bühne.

Wuppertal. Kleinen Musikexperten macht so leicht niemand was vor. Deshalb lassen sich die jungen Besucher beim 3. Familienkonzert in der Historischen Stadthalle auch von Moderatorin Barbara Overbeck nicht aufs Glatteis führen. „Oboe“ ruft ein kleines Mädchen laut aus den hinteren Reihen der Halle, nachdem Overbeck immer wieder verzweifelt — und mit augenzwinkernd falscher Betonung — nach einer „Obö“ im Sinfonieorchester gefahndet hatte.

Foto: Andreas Fischer

„Manege frei — Menschen, Tiere und Musiker“ lautet der Titel des Familienkonzerts. Kleine Akrobaten des Kinder- und Jugendzirkus „La Luna“ stellen, vom Sinfonieorchester begleitet, akustische Analogien zwischen Tönen und Zirkuskunststücken her, die Klanggewalt der Instrumente vergleichen sie mit der Kraft von Mäusen oder Elefanten.

Und weil ein Zirkus auch immer etwas an Karneval (oder umgekehrt) erinnert, sind gestern exakt 1111 junge und ältere Besucher in die Stadthalle gekommen. Einige Kinder sitzen direkt vor der Bühne und können die Musiker aus nächster Nähe erleben, andere bleiben lieber bei ihren Eltern.

Die Oboe dient dazu, den „Norwegischen Tanz“ von Edvard Grieg nachzuspielen. Das Solo von Oboist Andreas Heimann soll zeigen, wie ein Profimusiker quasi mit Tönen jongliert. „Wenn man da einen Ton falsch spielt, kann man ihn nicht mehr zurückholen“, sagt er. Das ist wie beim Jonglieren, wenn der Ball auf den Boden fällt, ist das Missgeschick nicht mehr rückgängig zu machen.

Zugegeben: Bei dem Familienkonzert unter Leitung von Florian Frannek ist es nicht ganz so schlimm, wenn ein Kunststück mal nicht ganz so gelingt oder fünf kleine Mäuse-Darsteller bei ihrer Choreographie etwas durcheinanderkommen. Hier stehen eher der Spaß an der Musik und die pädagogische Vermittlung der Tonkunst im Mittelpunkt. Um zu zeigen, wie ein Musiker arbeitet, halten Kameras die „Arbeit“ der Musiker fest und zeigen die Bilder auf einer Leinwand hinter dem Orchester.

Und auch lokale „Instrumente“ finden sich im Klangkörper. So sitzt der für Pauken und Schlagzeug zuständige Musiker Daniel Häker an einem Schienenstück der Schwebebahn und lässt es bei einer Nummer erklingen, in der fünf Akrobaten einen Amboss stemmen. „Der Amboss ist das Chefinstrument. Das darf man nicht mit ’Am Bass’ verwechseln“, scherzt Häker.

Bei dem Konzert erklingen unter anderem die wohl bekannteste Zirkusmelodie: der „Einzug der Gladiatoren“ von Julius Fucik sowie Kompositionen von Sergej Prokofjew und Gioachino Rossini. Besonders viel Betrieb herrscht bei dem Mitspielstück, das die Sinfoniker und einigen der jungen Besucher, die ihre Instrumente mitgebracht haben, gleich zweimal intonieren. Und auch die Zuschauer dürfen einstimmen. Sie bilden den Chor und singen „Und das soll ein Orchester sein“.

Einer der „Gastmusiker“ ist der zehnjährige Leander Siegels. Er hat seine Geige mitgebracht und war — mit dem Besuch vom Sonntag — bereits viermal bei einem Familienkonzert dabei. „Es ist schön, dass man da mitmachen kann“, erklärt er nach dem Konzert. Für den Auftritt habe er im Vorfeld einige Tage geübt. Sein Bruder Rafael (7) kann da nur etwas neidisch gucken. Er spielt lieber Klavier: Da ist es etwas schwierig, das Instrument mit zum Konzert zu nehmen.

Und weil zu jedem Zirkusbesuch auch ein Souvenir gehört, gibt es für jeden jungen Besucher einen Ballon zum Mitnehmen. Nach dem Konzert herrscht so reger Andrang, dass noch einige Ballons mit Gas gefüllt und verteilt werden müssen. Auch Leander hat sich für Zuhause einen gesichert.