Marcus Lobbes bringt „König Lear“ nach Barmen
Marcus Lobbes wollte eigentlich Opernsänger werden. Jetzt ist er Regisseur und setzt auf Shakespeare.
Wuppertal. Wo treffen sich kreative Köpfe? In einer szenischen Bar, auf einer abgedrehten Künstlerparty oder in einem Konferenzraum, der demonstrativ mit moderner Kunst bestückt ist?
Marcus Lobbes kennt eine pragmatischere Alternative. Denn Neuanfänge können auch ganz woanders beginnen: Den Anschluss an die Wuppertaler Bühnen hat der 43-Jährige in der Kölner DB Lounge gefunden. "Für Regisseure ist das ein guter Treffpunkt", sagt Wuppertals Schauspiel-Intendant Christian von Treskow. Kein Wunder: Wer als frei schaffender Künstler Zug um Zug Projekte sucht, muss mobil sein.
Lobbes ist es. Seinen privaten Lebensmittelpunkt hat er in Düsseldorf - beruflich zieht es ihn zu den verschiedensten Bühnen. Seit 15Jahren arbeitet er für das Staatstheater Darmstadt, das Staatstheater Kassel, die Hamburgische Staatsoper, das Theater Freiburg, das Nationaltheater Mannheim und das Opernstudio der Deutschen Oper am Rhein. Nun führt er zum ersten Mal in Wuppertal Regie.
Die Zusammenarbeit begann in der DB Lounge, in der Lobbes und von Treskow erste Gespräche über Shakespeare führten. Das Ergebnis ist morgen um 19.30Uhr im Barmer Opernhaus zu sehen: Lobbes inszeniert "König Lear" - auf seine Weise.
neuanfang an den wuppertaler bühnen (9)
Werktreu soll seine Produktion sein - was den Handlungsverlauf betrifft. Eine Überraschung birgt hingegen die Besetzung: In Wuppertal gibt es nicht (nur) einen König Lear, sondern sechs verschiedene Regenten. Denn Lobbes setzt auf einen Rollentausch auf offener Bühne: Sein Schauspieler-Sextett teilt sich alle Rollen - ohne Umbauten, aber mit einer klaren Mission. "Der Wechsel ermöglicht viele Facetten und gibt die Fragestellung weiter, die in jeder Figur steckt", erklärt Lobbes. Schließlich hofft er, dass das Publikum auf seinen Zug aufspringt und im Spannungsfeld aus moderner Rollenverteilung und historischen Kostümen die richtigen Schlüsse zieht.
Dabei ist Lobbes keiner, der mit dem erhobenen Zeigefinger zur Brechstange greift, um seine Meinung selbstherrlich auf das Publikum zu übertragen: "Ich gehöre nicht zu den Regisseuren, die eine einzelne, festgelegte Botschaft vermitteln wollen. Ich versuche, das interpretative Element an den Zuschauer weiterzugeben." Mit anderen Worten: Bühnenbild, Projektionen und Regie lassen den Assoziationen der Gäste viel Raum.
So viel darf aber schon verraten werden: Lobbes hat den Text stark gestrichen, weil er sich "auf die Kernthematik konzentrieren will". So geht es um die Generationenfrage und den demographischen Wandel. Und die eigene Familien-Pyramide? Der Sohn eines Computerfachmanns entstammt keinem Künstler-Clan, in dem schon ganze Generationen Theater gemacht hätten. Im Gegenteil. Der Wunsch, Regisseur zu werden, kam ganz plötzlich auf. "Als mit 18 in der Oper in Wien war."
Gesang hat er studiert - bis er an der Akademie für Tonkunst in Darmstadt spürte, dass eine andere Perspektive reizvoller sein könnte. "Ich hatte spannenden szenischen Unterricht und merkte auf einmal, dass ich lieber dahin wollte, wo mein Lehrer stand." Dass er sich daraufhin als Regie-Hospitant bewarb und prompt genommen wurde, zeigt, dass er rechtzeitig den Zug gewechselt hat.
Inzwischen singt er nur noch auf privater Bühne. Mit zweifelhaftem Erfolg, wie der zweifache Vater schmunzelnd verrät: "Ich singe meinen Kindern Opernarien vor - und zwar so schlecht, dass sie sofort einschlafen."