Autor Ein Dichterjurist, der in der Welt der Sprache zuhause ist

Matthias Buth wuchs in Wuppertal auf. Der Jurist schreibt Gedichte und Prosa und kämpft für die Wertschätzung der deutschen Sprache.

Matthias Buth kann seine Lieblingsgedichte auswendig rezitieren.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Er wird gerne als Dichterjurist bezeichnet – was nur auf den ersten Blick ein Widerspruch ist. Matthias Buth ist promovierter Jurist und Autor, ist hier wie dort als „Sprachexeget“ tätig, bei dem „jedes Wort sitzen muss, wozu sprachliches Vermögen und Genauigkeit“ gehören. Matthias Buth wurde 1951 in Wuppertal geboren, wuchs im Zooviertel auf. Hat auch heute noch eine hohe Affinität zu Elberfeld, sieht hier den Ursprung seines großen Interesses an der Politik. Eines der vielen Themen, die den belesenen Rechtsanwalt umtreiben, die er zu Papier bringt. In diesem Jahr erscheinen gleich zwei Gedichtbände von ihm.

Der Vater spielte Klavier, die Familie lebte ein christliches Leben, der Gang in die katholische St. Remigius-Kirche mit Liturgie, Kirchenfenstern und Friedhof hätten ihn geprägt, erzählt Buth. Mit 15/16 Jahren begann er zu dichten, las Claudius, Heine, Lasker-Schüler, Trakl. „Ich wollte abstrahieren, reduzieren, eine neue Realität schaffen“, erklärt er seinen Hang zur Lyrik. Dennoch studierte er Rechtswissenschaften an der Universität Köln, „weil ich einen Gerechtigkeitsfimmel hatte“. Kein Schmalspurjurist wollte er werden, sondern einer, der über den Tellerrand schaute, germanistische Vorlesungen besuchte und Fragen stellte, viel las. Am liebsten Biographien, gerne auch über Komponisten, weil ihn interessierte, „Sprache in musikalischen Dimensionen zu erleben“. Die Musik, sagt er, sei die „große Schwester der Literatur, da das Nonverbale das Verbale umschließt“.

Er sei ein Meister der Reduktion, sein Sprachfluss habe Rhythmus, seine Sprache sei auf das Wesentliche reduziert, loben die Kritiker. Für Buth ist Sprache schlichtweg „die Welt“, nicht nur Kommunikation, sondern „inneres Ich“, weshalb „wir uns mehr um unsere Sprache bemühen müssen, sie nicht verdrehen dürfen“. Sein Streben: die Gegenstände der Welt poetisch erfassen. Seine Lieblingsgedichte trägt Buth bei sich: Friedrich Rückerts „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ holt er aus dem Geldbeutel, Andreas Gryphius’ „Betrachtung der Zeit“ rezitiert er auswendig.

Veröffentlichung in Poesiealbum-Reihe ist ein Ritterschlag

Er kennt und schätzt viele Poeten früherer und heutiger Zeiten. Seine Lyrik entsteht am Schreibtisch, aus einer anfänglichen Notiz, aus etwas, „das in mir lagert und nach draußen drängt“. Dazu gehört Feinarbeit, die Strophen müssen richtig sein, damit sie „eine Sogwirkung“ haben. Der Dialog zwischen ihm, dem ersten Autor, und dem Leser als zweitem Autor, der sich ebenfalls ins Gedicht einbringe, ist Buth wichtig.

54 Gedichte wurden für das Poesiealbum 344 ausgesucht, ein Ritterschlag für den Autor, der sich damit in die großen Namen einreiht, die die in DDR-Zeiten gegründete Lyrikbandreihe schon veröffentlicht hat. Gedichte, die um die Welt, den Tod, die Liebe, die Suche nach Identität kreisen, in Mitteleuropa, Rumänien, Ungarn, Polen, Frankreich und Italien zuhause sind. „Die Hauptthemen meines Kosmos.“

Weit gefasst ist auch der Themenbogen der Texte, die Buth unter dem Titel „Seid umschlungen“ veröffentlicht hat. Viel Politisches über Grenzöffnungen 1989 und 2015, über ein Deutschland, das vom Freiheits- und Humanitätsideal aus den Werken Schillers, Goethes, Herders und Heines getragen werde. Oder Historisches – ein informationsdichter Essay, der mit seiner Kindheit in Wuppertal beginnt und im heutigen Polen und dem Plädoyer für eine europäische Verständigung endet. Weitere Themen sind Religion, Kultur, Ethik, Recht, Identität, Sprache, Literatur und Musik. „Ein Buch ist projizierte Welt, destilliert aus den Erfahrungen des Autors“, nennt Buth das. Der Titel erinnert bewusst an Schillers Gedicht „An die Freude“. Schiller habe „so schön formuliert, umarme den Menschen, die ganze Welt“, schwärmt Buth, der im Moment einen weiteren, größeren Prosaband vorbereitet. Dennoch: Gedichte sind ihm wichtiger, sind ihm „inneres Ausloten, Fassung gewinnen“. Im September soll der nächste Lyrikband – mit einem Nachwort des Wuppertalers Jörg Aufenanger – erscheinen. „Weiß ist das Leopardenfell des Himmels“ soll er heißen und 152 Seiten stark sein.

Auch Wuppertal kommt darin vor. Noch heute ist Buth regelmäßig hier, besucht seine Mutter, sucht die Kaiser-Wilhelm-Allee auf, schwelgt in Kindheitserinnerungen. Wuppertal nehme ihm und gebe ihm den Atem: „Die Stadt der Schwebebahn ist im Himmel und zugleich auf die eigene Schiene zurückgeworfen.“ Widersprüchlich wie das Leben eben so sei. Seine Heimat? Weniger. Heimat, sagt der Dichterjurist, das sei Kunst, Literatur, Religion.