Wuppertal Was „Else“ Dichtern heute bedeutet

Wuppertal · Im Skulpturenpark begann mit „Spielen ist alles“ der poetische Teil des Lasker-Schüler-Jahres.

Ann Cotten, Adi Keissar und Mathias Traxler näherten sich Else Lasker-Schüler mit ihren Performances.

Foto: Fries, Stefan (fri)

„Elses“ Person und ihre Bedeutung für heutige Dichter: So hätte „Spielen ist alles“ übertitelt sein können, mit dem im Skulpturenpark Waldfrieden der poetische Teil des Lasker-Schüler-Festjahres begann. Mehr noch als die Musikalität der Jubilarin stellte die Performance von Ann Cotten, Matthias Traxler und Adi Keissar vor allem deren Charakter in den Mittelpunkt - auch in seinen sperrigen Facetten.

Am Samstag sollten die drei weithin geschätzten Literaten im Unterbarmer „Kukuna“ in einem Gespräch in Austausch treten mit der Ausstellung „Else geht aus X“. Dieses von Ort zu Ort wandernde Format des Festjahres läuft dort schon in seiner zehnte Phase und bot ihnen Anlass zur Reflexion über die Kunst der Jubilarin. Schon im Skulpturenpark indes zeigten sie im Grunde ein Programm der Positionierung: Drei Selbstverortungen zu „Else“ als Künstlerin und Person.

Was dabei freilich nicht fehlte, war: Lasker-Schüler lässt sich im Wortsinn gut hören. Nicht nur, dass vor Kurzem an der Bergischen Uni eine Dissertation erschien, die ihren musikalischen Qualitäten nachspürt und ihren Widerhall bei zahlreichen Komponisten darstellt. Auch im Skulpturenpark gab es davon einen guten Eindruck, und verantwortlich dafür waren neben dem Poetentrio fünf Musiker: Schon 2005 von Björn Krüger und Julian Hanebeck initiiert, kamen heute rund um die Performance mehrere Vertonungen schwungvoll erneut zu Gehör. Darunter das Gedicht „Heimlich zur Nacht“: Verse wie „Ich habe dich gewählt unter allen Sternen“ enthüllten im energievollen Gesang im besten Sinne Popsongqualitäten.

Lasker-Schüler ist sicher glaubwürdig für solch heitere Umsetzungen - anders als so manch neueres Musikprojekt, das Autoren (Rilke und andere) mitunter recht gewaltsam zum Popstar umwidmet. Denn lebensfroh und impulsiv darf man sich die Elberfelderin sicher vorstellen. Doch eine einfache Autorin ist auch sie nicht - und vor allem davon gab der Abend einen starken Eindruck. Bezeichnend mochte sein, dass Band wie Poeten aus „Elses“ Werk teils dieselben Verse gewählt hatten, die eher dunkel anmuteten: „Was tust du mir / In meiner Todesstunde“ erklang zunächst als Lied, nachher dann erneut im Vortrag der Dichter. Ihre Wortperformance hatten die drei vor Tagen im Berliner Literarischen Colliquium aufgeführt. Was sie auch heute aus dem Werk der Dichterin brachten, hob nicht auf Gefälligkeit ab, im Gegenteil: Was Elses heutige Zunftgenossen offenkundig interessierte, waren Eigensinn, Exzentrik, Wut.

Noch harmonisch war der Bezug, den Adi Keissar in ihrem ruhigen Vortrag auf Englisch und Hebräisch ausführte. Die israelische Autorin hob auf das Land ab, in dem die Jüdin Lasker-Schüler als Fluchtort lebte und schließlich starb: „Jerusalem war für mich intensiv, als Schriftstellerin wie als Person.“ Gefragt habe sie sich, wie über diese Stadt zu schreiben sei - Lasker-Schüler habe sie hier überzeugt: „She found the answer.“ Mathias Traxler, bekennend schwuler Dichter und Dozent, wählte seine Annäherung über „Elses“ gesellschaftliches Auftreten: „Welcher Subkultur würde sie heute angehören? Würde sie mich mögen?“ Bitterkeit sprach dann aus Ann Cottens Worten, aus Iowa stammend und in Berlin lebend: „Penetriert worden“ sei sie mit literarischen Vergleichen, doch gehe es ihr um das „Bedürfnis, mit allem abzurechnen, was einen im Leben quält“.

Das Publikum soll mit
dem Finger mitschnipsen

Was dann an Versen zu hören war, ging von Leidenschaft bis Todesnähe, dabei auch mit komischen Ausflügen. Cotten, die zwar an anderer Stelle „Resultate der kolonialistischen Weltordnung“ kritisierte, fand offenbar auch Gefallen am Text über „Kartoffelpuffer“ mit dessen „Wuppertaler Version, die der Zunge nie geträumte Illusionen bereitete“. Mathias Traxler las aus Elses Lyrik mit ihrem speziellen Blick: „Ich hörte die Bäume mit Orchesterbegleitung des Meeres“ und mit besonderen Metaphern der Liebe: „Wir küssten uns / Ohne des Herbstes Mörtel.“ Und Adi Keissar ermunterte das Publikum an einer Stelle sogar, mit den Fingern mitzuschnipsen. Dennoch: Insgesamt ein Bekenntnis zu komplexen, auch schwierigen Seiten Else Lasker-Schülers als Mensch und Künstlerin.