Freizeit Mit der Draisine durch die Wuppertaler Textilgeschichte

Wuppertal · Im Rahmen des Engelsjahres gab es eine Exkursion durch Beyenburg.

Niko Bogdanovic gibt grünes Licht für die Draisinenfahrer.

Foto: Bartsch,G. (b13)

Wenn in Beyenburg die Teilnehmer der Führung „Textilgeschichte im oberen Tal der Wupper“ in die Pedalen der Draisinen treten, dann sind sie schon mitten drin in dieser Geschichte. Denn die Eisenbahnstrecke, auf der sie unterwegs sind, verdankt ihre Entstehung der Industrialisierung. Schwer zu glauben, wenn man heute so entlang der Wupper durch das dichte Grün fährt, dass es in ein einstmals aufstrebendes Industriegebiet geht.  Im Zuge des Engelsjahres haben sich der Verein Wuppertrail, das Museum Wülfing und der Geschichtsverein Beyenburg für diese Exkursion zusammengetan.

Über Aktivitäten von Engels in dieser Wuppergegend ist zwar nichts bekannt. Aber die Verhältnisse in der Produktion waren doch ähnlich wie in den Fabriken in den aufstrebenden Städten Barmen und Elberfeld, in England oder sonst in Europa. Und wenn man die Draisine in Dahlerau verlässt und zur ehemaligen Fabrik Wülfing geht, dann sieht man Ecken, die schon zu Engels Zeiten nicht viel anders ausgesehen haben.

Als die Eisenbahnbauer 1886 Dahlerau erreichten, da war Wülfing schon 70 Jahre dort ansässig. „Die Firma wurde im 17. Jahrhundert in Lennep gegründet“, erzählt Ulrich Kühn, sowohl Mitglied im Museumsverein als auch bei Wuppertrail. „Zunächst hatte man die Häuser alter Sensenschleifer aufgekauft und genutzt. Als die abbrannten, hat Wülfing neu gebaut.“ Es entstand eine kleine Stadt mit Fabrik, Arbeiterhäusern, Postamt, Arzt, Lebensmittelladen. „Und einer Kleinkinderschule, zu einer Zeit, als es den Begriff Kindergarten noch gar nicht gab.“ Dazu Versorgungskassen, für Krankheit oder Altersversorgung. „Lange vor Bismarcks Sozialreform.“

Vielleicht hat die Revolution von 1848 etwas dazu beigetragen. Damals, als Engels in Elberfeld auf der Barrikade stand. Vielleicht war der Unternehmer aber auch selbst zu dem Schluss gekommen, „dass ein zufriedener und gesunder Arbeiter für die Produktion von Vorteil ist,“ wie Wolfgang Massanek sagt. Er ist Textilingenieur und hat bei Wülfing gearbeitet. Heute führt er durch das Museum. „Damals hatte jeder Arbeiter hier im Durchschnitt zwölf Quadratmeter zur Verfügung. In einer Zeit, als ein Arbeiter in Elberfeld oder Barmen mit zwei bis drei auskommen musste.“

In den Ausstellungen kann
man sich stundenlang aufhalten

Draußen kann man sehen, wie die Wülfing-Stadt gewachsen ist. Wie neben den Fachwerkhäusern Ziegelbauten entstanden. Wie neben den Produktionsstätten aus Bruchstein in an England erinnerndem Stil weitere in Ziegelbau und mit Sheddächern entstanden. Und weil die neuen Spinnmaschinen nicht in die alte Halle passten, eine neue Spinnerei gebaut worden war. Die ihre Ergebnisse übrigens mit einer eigenen Schwebebahn zur Weiterverarbeitung transportierte.

In den Ausstellungen drinnen kann man sich Stunden lang aufhalten. Erwähnt sei hier die Dampfmaschine von 1893. Massanek: „Die größte im Bergischen.“ Zwölf Tonnen schwer, kann sie bis zu 500 PS leisten. „Die Teile sind mit der Eisenbahn hertransportiert worden. Dann im trockengelegten Graben von Pferden weitergebracht. Das Gebäude ist dann darum errichtet worden.“ Werkseigen erzeugten Strom für die Wülfing-Arbeiter gab es übrigens schon zu Zeiten, als man weiter Wupper abwärts noch Öllampen einsetzte.

Muskelkraft bringt die Draisinen nach Beyenburg zurück. Dort übernimmt Heinz-Werner Putzke vom Geschichtskreis Beyenburg. Und Industrie? Tatsächlich hat Putzke mehr über Handelsstraßen, Burg und Kloster zu erzählen. Aber die Industrie hat das eher dörfliche Beyenburg nicht ganz unberührt gelassen. Der Wupperstollen versorgte Betriebe mit Wasserkraft. Und kurz nach 1800 hatte sich der Textilfabrikant vom Heidt in einem alten Klosterflügel niedergelassen, bevor er mit seiner Produktion ans Wupperufer zog.