Film Als Pina Bausch 1989 die Mauer fallen ließ
Pina Bausch Foundation zeigte Film „Palermo, Palermo“ und lud zum Gespräch ein.
Palermo ist die Hauptstadt Siziliens, war berüchtigte Mafia-Stadt und ist Kulturstadt – mit Bauwerken, die als Weltkulturerbe anerkannt sind, und einem aufblühenden Kulturleben. Auch Pina Bausch und diese Stadt fanden zueinander. Das Stück, das die Choreographin mit ihrem Ensemble nach mehrwöchigem Aufenthalt schuf, eine Koproduktion mit dem Teatro Biondo, wurde im Dezember 1989 uraufgeführt. Nun ist es Auftakt in eine neue, dokumentarische Filmreihe der Pina Bausch Foundation. Am Samstag feierte sie im Foyer des Schauspielhauses Premiere und eröffnete die Spielzeit, die im Zeichen des Zehnjährigen der Stiftung steht.
Am Anfang fällt die Mauer, nur dass diesmal Zuschauer erschrecken, die nicht im Raum sind. Der 155 Minuten lange Film – wie das Stück mit Pause – basiert auf Aufnahmen, die kurz nach der Uraufführung unter Pina Bauschs Regie entstanden waren, nun dank Fördergeldern von NRW und Ländern digitalisiert und restauriert werden konnten. Er bildet die Inszenierung ab, mit den technischen Einschränkungen der damaligen Zeit (Format, Unschärfen, Akustik), den Vorteilen der Nähe einzelner Sequenzen, den Nachteilen der fehlenden Einordnungsmöglichkeit ins gesamte Bühnengeschehen. Ein authentisches Zeitzeugnis, Wiederbegegnung auch mit den Tänzern, die jünger sind, die vielfach die Compagnie inzwischen verlassen haben. Ein emotionaler und eindringlicher Film, der unter die Haut geht wie das Stück, das vom Überlebenskampf im armen Süden Italiens erzählt. Die Mauer fällt, legt Emotionen und Spannungen zwischen Arm und Reich, zwischen den Menschen bloß.
Wege suchen, um das Werk
zugänglich zu machen
Ein Stück sei nur gut, wenn es im Publikum nachhalle. Pina sei genial darin gewesen, das Publikum durch ein Stück zu führen. Sagt Jan Minarek. Er war damals dabei, arbeitete eng mit der Choreographin zusammen. Ismaël Dia, Leiter des Pina Bausch-Archivs, hat ihm die erste Filmfassung gezeigt, seine Kritik mitgenommen, eine „bessere“ Version erstellt. Am Samstag nahmen beide an einer Gesprächsrunde teil, die das neue Format ebenso zum Inhalt hatte wie grundsätzliche Fragen nach der Arbeit der Foundation. Mit dabei Matthias Burkert, der damals wie heute die Musik, das „Klebemittel“ zwischen den Teilen der Stücke, beisteuert, die Maultrommel mitgebracht hat, die er 1989 spielte, und der Ehrengast Leoluca Orlando, der schon viele Male zum Bürgermeister von Palermo gewählt worden ist, der Mafia die Stirn geboten und der Stadt intensive Kulturprogramme verordnet hat. Pina habe Palermo geliebt, schwärmt er, sie habe vorhergesehen, dass die Träume Palermos jenseits der Mauer liegen.
Pinas Werk teilen, auch den jüngeren Menschen zugänglich machen, das will die Foundation. Sie stellt deshalb im Juni 2020 fünf Stücke aus verschiedenen Epochen ins Netz. Der Film „Palermo, Palermo“, so erklärt Vorstandsvorsitzender Salomon Bausch, gebe einen Ausblick darauf. Ein Angebot, das das Archiv lebendig machen soll, ohne das Erlebnis im Theater zu ersetzen. Eine Chance, mit Pinas Arbeit die zu erreichen, die den Weg zur Bühne nicht finden. Weitere Veranstaltungen, wie „Utopina“, das zum Austausch über Ideen und Träume zur Kunst Pinas einlädt, und Kooperationen mit Compagnien folgen in dieser Spielzeit. Der Anfang wurde am Samstag gemacht. Am 3. November geht der Film online und wird er in Palermo gezeigt.