Wuppertal Stories über Fußball und Religion
Der Theologie-Professor Christhard Lück hat einen Kurzgeschichten-Wettbewerb ausgeschrieben. Jetzt gab’s die Siegerehrung.
Wuppertal. Die Fußball-Messe in Frankreich ist seit Sonntag gelesen, die Fans sind auch diesmal nicht vom Glauben abgefallen - obwohl mehr als eine Hand Gottes im Spiel gewesen sein muss, damit Portugal tatsächlich Europa-Meister wird.
Es ist naheliegend, Fußball mit religiösen Begriffen zu beschreiben. Zu ähnlich wirken die Rituale — bei allem Respekt vor kirchlichen Inhalten: die festen Uhrzeiten der Zusammenkünfte, die weihevollen Gesänge, die Inbrunst, mit der viele Fans an ihrem Verein hängen. Oder wie es Punksänger Campino von den Toten Hosen sagt: „Jeder sollte an irgendetwas glauben, und wenn es Fortuna Düsseldorf ist.“
Das Thema Fußball und Religion beschäftigt auch Christhard Lück, Professor für evangelische Theologie an der Bergischen Uni. Nach einigen wissenschaftlichen Aufsätzen hat er im Frühjahr mit Kollegen einen Kurzgeschichten-Wettbewerb dazu ins Leben gerufen. Mitmachen konnte jeder, allerdings musste er seine Geschichte in maximal 500 Wörtern erzählen.
Flüssig und fantasievoll gelang das der elfjährigen Julia Weber, die einen Sonderpreis erhielt. Sie schrieb über einen Fußball namens Fred, der im Vorfeld der EM nach Belgien reist, wo er viele Muslime sieht, und anschließend in Rom den Papst trifft, der sich eine EM als Fest von Menschen aller Religionen wünscht.
Passgenau haben die Ausrichter den Wettbewerb ins Fußball-Event eingebettet: Einsendeschluss war der Tag des ersten EM-Spiels, zur Siegerehrung luden sie einen Tag nach dem EM-Finale. Dazwischen hatte die sechsköpfige interdisziplinäre Jury aus Germanisten, Romanisten, Theologen und Sportpädagogen ihre Auswahl getroffen — eine angenehm unmissionarische.
„Die Geschichten hatten für mich eine unerwartete Qualität“, sagte Matei Chihaia, Romanistik-Professor und Prodekan. In der Tat kommen die sechs ausgezeichneten Geschichten, die die Schauspielerin Kriszti Kiss engagiert las, kompakt, sprachlich dicht und originell daher.
Alexander Palitza aus Wuppertal zieht lakonisch Parallelen zwischen einem Trauergottesdienst und dem Besuch im Stadion: „Als meine Oma starb, spielten wir gegen Hannover.“ Simone Dänner, Lehrerin aus Köln, schildert einen Fußballstar bei Werbeaufnahmen — und gibt anhand seiner Tätowierungen bis zur „Muttergottes mit dem heiligen Kind“ einen guten Überblick über Jugendkulturen.
Bei Katharina Rücker spielt ebenfalls ein Tatoo die zentrale Rolle. Ein Stürmer wird auf dem Weg zum Siegtor gefoult. Wundersamerweise hat er in gleißendem Licht eine Jesus-Vision, die seine Wut zerstreut — und sich als Nadelarbeit auf dem Unterarm seines Gegenspielers erweist.
Den ersten Platz belegte die Studentin Anna-Maria Kapila aus Köln, die wegen einer Erkrankung ihren Mann geschickt hatte. Ihr gelingt es, ,auf engstem Raum eine mehrsträngige Geschichte zu erzählen“, lobte der Juror und Germanist Bruno Arich-Gerz. In der Story „Überholt“ sitzen „Benno, Sarah und ich“ deprimiert schweigend im Auto im Stau, nachdem ihr Verein mal wieder abgestiegen ist. Stillstand herrscht nicht nur für den Wagen, sondern auch in der Liebesbeziehung des Ich-Erzählers zu Sarah. Diese düstere Stimmung löst ein kleiner Junge mit Segelohren auf der Rückbank eines anderen Autos auf, der die tollsten Grimassen schneidet — und die drei grimassieren zurück: „So werden die Letzten die Ersten sein.“
Gefeiert wurde in der Evangelischen Studierendengemeinde an der Gaußstraße, wo drei Kruzifixe mit Deutschland-Wimpeln geschmückt waren. Die Musiker der Gemeinde boten das adäquate Rahmenprogramm: von der isländischen Nationalhymne bis zu „You’ll never walk alone“.