Wuppertal Tanzhaus: Mitreißende „Carmina Burana“-Aufführung in der Oper

Das Tanzhaus Wuppertal feiert seine Inszenierung des Orff'schen Werkes im Opernhaus. Nochmals großer Jubel zum Jahresabschluss.

Foto: Stefan Fries

Wuppertal. Sie bewegen sich schnell, äußerst konzentriert, begehren auf, werfen ihre Arme in die Höhe, drehen sich, fallen zu Boden, drängen sich im nächsten Moment eng aneinander und streben abrupt wieder auseinander. So wie es die expressive Musik und der teils peitschende Gesang ihnen vorgeben. „O Fortuna, Imperatrix Mundi“ fleht der Chor die Göttin an, die das Schicksal der Menschen letztlich bestimmt. Am Mittwochabend meinte sie es zumindest mit jenen gut, die die „Carmina Burana“-Aufführung des Wuppertaler Tanzhauses in der Oper besuchten. Sie erlebten eine mitreißende und engagierte Tanzinszenierung des Werkes von Carl Orff.

1937 wurde die „szenische Kantate“ des deutschen Komponisten in der Frankfurter Oper uraufgeführt. Das klassische Meisterwerk sollte eines der populärsten des 20. Jahrhunderts werden. Seine mittellateinischen und mittelhochdeutschen Verse hatte Orff den „Carmina Burana“ entnommen, einer Sammlung von im 11. und 12. Jahrhundert entstandenen Lied- und Dramentexten, die 1803 in der Bibliothek des Klosters Beneditktbeuren gefunden worden waren. Sie erzählen vom Erwachen des Frühlings, der Liebe, opulenten Gelagen, dem Liebes- oder Minnehof, von den Sagengestalten Helena und Banziflor. Zu einer Handlung fügen sich die, vom Anrufen der Fortuna umfassten Szenen nicht. Schon der Komponist hielt eine bildhafte und tänzerische Umsetzung seiner raffinierten wie einfachen Musik für möglich, ohne sie anzustreben.

Kristopher Zech, Leiter des Wuppertaler Tanzhauses, hat eine besondere Beziehung zu dem Chorwerk. Sein Musiklehrer an der Waldorfschule führte es gleich drei Mal mit seinen Schülern auf, vor zehn Jahren erlebte Zech eine begeisternde, aber wegen des Aufwands auch entmutigende Aufführung in Düsseldorf, schließlich tanzten seine Eleven vor kurze m auf einem Turnier schon mal zu den Anfangsstrophen der Carmina. Zum 20-jährigen Bestehen des Tanzhauses 2017 erfüllte sich Zech endlich den Wunsch, zu dem ganzen Chorwerk eine Choreographie auf die Bühne zu bringen. „Die ’Carmina Burana’ schreit geradezu nach Tanz. Kinder und Jugendliche haben einen guten Zugang, das funktioniert sehr gut“, ist Zech überzeugt.

Die Wuppertaler Aufführung muss zwar ohne Live-Chor und -Orchester auskommen, ist von daher aber eben auch realisierbar. Zech hat sich für eine japanische Musikaufnahme entschieden, die, „die meiste Dynamik hat“. Hinzu kommt eine stringente wie wirkungsvolle Inszenierung: Das Bühnenbild beschränkt sich auf eine riesige Leinwand, auf der Bilder eingespielt werden, die — wie die Ausleuchtung — die jeweilige Stimmung verstärken. Die Tänzer tragen einfarbige, schlichte und bewegungsfreundliche Kostüme. Alles ordnet sich dem Tanz unter.

Die anspruchsvolle wie faszinierende Choreographie verlangt vom ersten Moment an viel Power, Körperbeherrschung und auch schauspielerischen Einsatz, etwa bei den Szenen in der Taberna. Zech erklärt: „Die leisten richtig was, tanzen bis zur Erschöpfung. Das transportiert die Idee der Geschichte des Lebenslaufs eines Menschen richtig gut.“ Verstärkung haben sich die Nachwuchstänzer der Juniorcompany und der Company des Tanzhauses bei Drittklässlern der St. Antonius Grundschule geholt, die zudem kindliche und spielerische Momente einbringen. Der 16-jährige Luca Völkel beweist gleich in mehreren Soli sein Ausnahmetalent, das ihm in diesem Jahr bereits beim Dance World Cup in Offenburg eine Goldmedaille bescherte.

Am 2. Juli war Premiere — „sie kam fast besser an als die eigentliche Jubiläumsaufführung vom Tag davor“, erinnert sich Zech: „Viele hatten ein nettes Jugend- und Kinder-Stück erwartet und waren von der hohen Qualität der Tänzer positiv überrascht.“ Folge: Der Auftritt wurde ein Riesenerfolg, zog nun, Ende Dezember , zwei weitere umjubelte Auftritte nach sich — ein, so Zech, „toller Jahresabschluss“.