Opernstudio Weg zum Gesang war vorbestimmt
Der Bassbariton Timothy Edlin ist am Opernstudio NRW angestellt.
Die Eltern sind schuld und der Bruder auch irgendwie. Timothy Edlin wurde Sänger, Stimmlage Bassbariton, weil die Eltern Musiker sind und der ältere Bruder in jungen Jahren das von ihm geforderte Vorsingen verweigerte. Damit weckte er das Interesse des sechsjährigen Timothy, der nicht von den Eltern gefragt worden war. Dabei habe er schon immer gerne gesungen, erinnert er sich. Seit der aktuellen Spielzeit tut der mittlerweile 26-jährige Nachwuchssänger dies als Mitglied des Opernstudios in Wuppertal. Sein nächster Auftritt ist am heutigen Samstag in der Uraufführung von „Chaosmos“ im Opernhaus in Barmen.
Timothy Edlin wuchs im englischen Canterbury auf, besuchte, nach bestandenem Vorsingen mit sieben Jahren, als Chorknabe das Internat der Kathedrale von Canterbury. Auch die weiterführende Schule hatte entsprechend einen deutlichen Musik-Schwerpunkt. Außerdem lernte Timothy das Violinen- und das Klavierspiel, das er mit sechs beziehungsweise sieben Jahren aufnahm. Berufssänger werden wollte er aber im Gegensatz zu den Eltern, die Komponist und Gesangslehrerin sind, nicht. Er wollte lieber „etwas Vernünftiges“ studieren wie Medizin oder Jura. „Aber es ging einfach nicht“, sagt er und schmunzelt.
Mit 18 Jahren begann er ein Gesangsstudium an der Universität Manchester und anschließend mit 22 Jahren eines am Royal College of Music in London. Ein Freund von ihm brachte ihn auf die Idee, sich für das Opernstudio NRW zu bewerben. Die einzigartige Zusammenarbeit von vier Häusern, die frisch ausgebildeten Sängern durch eine zweijährige, Praxis und Kontakte vermittelnde, Beschäftigung beim Einstieg ins Berufsleben hilft, reizte ihn. Im Dezember 2018 bewarb er sich und wurde genommen. Bis zum Sommer schloss er sein Studium ab und arbeitete an der Nevill Holt Opera, wo er den Snug in „A Midsummer Night’s Dream“ gab. Seit dem Herbst ist er nun in Deutschland.
Schon im Chor zählte Timothy zu den tieferen Sopranen, seine heutige Stimmlage kam ziemlich plötzlich. Als er mit 14/15 Jahren nach den Sommerferien in die Schule zurückgekehrt sei, habe er seine Mitschüler damit überrascht, erzählt der Bassbariton, der schon während des Studiums als Solist auftrat. Er liebt Oratorien, schätzt ihre Emotionalität und Ehrlichkeit: „Sie sind speziell, weil man eine Botschaft rüberbringt, egal, ob man glaubt oder nicht“, sagt er. Am Liedervortrag wiederum mag er die Nähe zum Publikum und dass „man man selbst ist, seine Geschichte erzählt“. Opern schließlich fordern rundum, ihre Dramen seien mächtig und leidenschaftlich. Fazit: Einen wirklichen Favoriten hat Edlin nicht. Jedes Format habe seine eigene Qualität, das Ideal bestehe eben darin, ein singender Schauspieler zu sein.
Das Ideal des singenden Schauspielers
Das konnte der Nachwuchssänger in Wuppertal bereits unter Beweis stellen. Beim zweiten Liederabend im Oktober, in „Die Hochzeit des Figaro“ und nun in „Chaosmos“. Die Mozart-Oper liegt dem jungen Sänger besonders am Herzen, weil er schon als Kind Bach und Mozart immer wieder hörte. Der Figaro selbst sei seine Traumrolle, allerdings „wie viele andere auch“, will er sich dann doch nicht festlegen. In Wuppertal schlüpfte der junge Mann in die Rolle des Antonio, was eine Herausforderung war, weil er als Jüngster den Vater und den Onkel seiner Kolleginnen gab und weil er während der Ouvertüre einer komplizierten Choreographie folgen musste, die ein geordnetes, wie schnelles Durchschreiten von vier Türen verlangte. Mit vier Stühlen habe er dies zuhause geprobt, erzählt Edlin, um Zusammenstöße mit den anderen auf der Bühne zu vermeiden. „Chaosmos“ wiederum wartet mit ganz anderen Anforderungen auf, einem Headset etwa, über das ihm in seiner Rolle als Kantinenroboter nur Töne und der Rhythmus für seinen Sangespart vorgegeben werden. „Daran musste ich mich erst gewöhnen“, so Edlin, „aber das ist auch das Interessante an moderner Musik“.
Zwei Jahre ist der Brite nun am Opernstudio, das ihn intensiv fordert, weshalb er von Wuppertal noch nicht viel gesehen hat. Vom Elefanten, der aus der Schwebebahn fiel, habe er gehört, die Stadthalle mit ihrem fabelhaften Klang aber müsse er unbedingt noch kennenlernen. Und später? Später gehe er da hin, wo ihn die Arbeit brauche.